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Energie- und
Ladungstransport im elektrischen Stromkreis
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Dieser Text ist sozusagen eine Zusammenfassung einiger meiner Texte zum Thema. Im Gegensatz zu diesen wird hier auf Begründungen verzichtet. Es soll knapp beschrieben werden, wie der Transport von Energie und Ladungen im einfachen elektrischen Stromkreis funktioniert. Die Sachverhalte sind seit mindestens 100 Jahren bekannt. Dennoch werden in der Didaktik auch heute noch immer wieder neue Märchen erfunden, die in Konflikt mit ihnen stehen.
Betrachten Sie dazu einen einfachen, unverzweigten Stromkreis mit Batterie und Widerstand; die beiden Stromzuführungen zum Widerstand sollen widerstandslos sein.
1. Im offenen Stromkreis pumpt die Batterie je nach ihrer Spannung und der Kapazität der Anschlüsse (Polklemmen) Ladungen auf diese und alle Leiter, die mit ihnen verbunden sind. Diese Ladungen ("Polladungen") sammeln sich wegen gegenseitiger Coulombabstoßung auf den Oberflächen der Anschlüsse und Leitungen.
2. In den Leitern sind "freibewegliche" Ladungen immer vorhanden, in Metallen sind das Leitungselektronen, die sich zwischen weitgehend ortsfesten Atomrümpfen weitgehend frei bewegen können.
3. Im geschlossenen Stromkreis bildet sich bei schwer überschaubaren
Vorgängen während des Einschaltvorgangs nach einer sehr kurzen Zeit ein
stationärer Strom aus. Ein Teil der Polladungen fließt dabei ab; erst
allmählich bildet sich der richtige Strom aus, dazu muss er sich
Raumladungen in den Leitern und Mantelladungen auf ihren Oberflächen
schaffen, so dass allmählich in den Leitern das elektrische Feld entsteht,
das dem Ohm'schen Gesetz und der Ladungserhaltung (Kontinuitätsgleichung)
entspricht. Gemäß j = σ·E entstehen so allmählich die von
Spannung der Batterie und dem Widerstand geforderte Stromdichte j
und die elektrische Feldstärke E im Widerstand. Es verbleibt eine
bestimmte Rest-Polladung auch auf den Stromzuführungen, die ohne
Widerstand feldfrei sind. Raumladungen in den Leitern bilden sich nur an
den Übergangsstellen zwischen Leitern unterschiedlicher Leitfähigkeit. In
den übrigen Bereichen befinden sich keine für den Strom relevanten
Überschuss-Ladungen in den Leitern. Dagegen entstehen in
Leitern mit Widerstand elektrische Felder, die bei dünnen Leitern parallel
zu deren Oberflächen verlaufen.
4. Nach Beendigung des kurzzeitigen Einschaltvorgangs sind die Rest-Polladungen und sämtliche anderen Oberflächenladungen inkl. der Raumladungen an den Übergangsstellen verschiedener Leitfähigkeit stationär. So hat sich der Strom während des Einschaltvorgangs die vom Ohm'schen Gesetz und der Kontinuitätsgleichung (der Ladungserhaltung) geforderten elektrischen Felder selbst geschaffen, auch in den Leitern. Oberflächenladungen nehmen nach dem Einschaltvorgang nicht mehr am Stromfluss teil. Erst hier sollte m.E. die schulische Behandlung einsetzen.
5. Oberflächenladungen inkl. Raumladungen passen die elektrischen Felder in den Leitern auf die geforderte Größe an, sorgen aber auch dafür, dass Stromdichte j und elektrische Feldstärke E bei dünnen Leitern der Leitergeometrie folgen. Bei Verformungen der Leiter verändern sie sich so, dass dieser Zustand beibehalten wird. Das hat auch Auswirkungen auf die elektrischen Felder außerhalb der Leiter, die von Oberflächenladungen und sonstigen Ladungen außerhalb bestimmt sind.
6. Von der Batterie und den Rest-Polladungen gehen statische elektrische Felder aus, die, evtl. von außerhalb kommend, auf den widerstandslosen Stromzuführungen senkrecht einmünden (Abb. 1). Andernfalls würden auch in den Stromzuführungen parallele elektrische Felder entstehen. Zusammen mit den Magnetfeldern, die bei Stromfluss die Leiter ringförmig umgeben, sorgen sie dafür, dass Energie in der Nähe der Leiter, aber nicht in ihnen, zum Widerstand transportiert wird. Senkrecht in die Wandung eines Widerstands tritt entsprechend des Energiestromdichte-Vektors S Energie in den Widerstand ein (Abb. 2), die in Stromwärme umgesetzt wird. Die Energie fließt also durch Vermittlung von elektrischen und magnetischen Feldern, und damit auch durch Vermittlung von Leitungselektronen, in der Nähe beider Stromzuführungen durch das Vakuum (oder die Luft) von der Batterie zum Widerstand. Die elektrischen Felder von stationären Ladungen können als Potenzialfelder dauerhaft keine Energie liefern.
7. Die bewegten Ladungsträger transportieren - in ihnen lokalisiert - keine nennenswerte Energie. Besonders einsichtig ist dies bei Wechselstrom, wo die meisten Leitungselektronen nie die Energiequelle und den "Verbraucher" erreichen, obwohl ständig Energie von der Energiequelle in den "Verbraucher" strömt. Abb. 1 und 2 erklären dieses Rätsel. Elektronen im Stromkreis sind auch zu langsam, um nennenswerte kinetische Energie zu transportieren. In einer Induktionsschleife hat es ganz offensichtlich keinen Sinn von einer potenziellen Energie der Elektronen zu sprechen, obwohl dort Energie in Widerstände transportiert wird.
Die meisten Elektronen haben in der Beobachtungsdauer keine Gelegenheit, in der Stromquelle potenzielle Energie abzuholen und in einem Widerstand wieder abzuliefern.
Abb. 1: Energietransport aus der Batterie in den
Widerstand, vermittelt durch elektrische und magnetische Felder (E
und B) gemäß des Energiestromdichte-Vektors S
überwiegend in der Nähe beider Leiter |
Abb. 2: Energiestrom durch die Wandung des Widerstands, aus dem Vakuum (bzw. der Luft) vor allem in der Nähe beider Stromzuführungen kommend. Das Magnetfeld B erzeugt sich der Strom selbst. |
8. Im Stromkreis sind freibewegliche Ladungen immer vorhanden. Elektrische Felder in den Leitern halten evtl. die Bewegung dieser Ladungen für den Stromtransport gegen "Reibungskräfte" aufrecht. Die Bewegung geht jedoch von der Batterie als Pumpe aus. Die Batterie pumpt Ladungen auch durch die widerstandslosen und damit feldlosen Stromzuführungen (manche Autoren sprechen auch von einer Trägheitsbewegung durch widerstandslose Leiter). Dazu ist weder Kraft noch Energie nötig, weil ja dort auch keine Energieverluste auftreten. In Widerständen werden elektrische Felder E = j/σ parallel zur Stromdichte j und magnetische Felder B, die j ringförmig umgeben, als "Vehikel" zum Ersatz von Energieverlusten der fließenden Ladungen mittels S benötigt.
(Bei Verzicht auf eine aristotelische Denkweise wird offensichtlich, dass für eine Bewegung (ihren Fortbestand) kein "Antrieb" (keine Gesamt-Kraft) notwendig ist. Das statische elektrische Feld E allein kann nicht für Energie-Ersatz sorgen, da es wirbelfrei ist mit einem zugehörigen Potenzial.)
9. So haben wir beim einfachen elektrischen Stromkreis zwei Transportvorgänge: einen gerichteten Energietransport außerhalb der Leiter, aber in ihrer Nähe, von der Batterie zum Widerstand (vermittelt durch elektrische und magnetische Felder), und einen Ladungstransport in den Leitern. Als Strom *) wird in der Physik das "Fließen" der Ladungen bezeichnet. Eine einheitliche Stromrichtung muss definiert werden: Außerhalb der Stromquelle soll der Strom vom positiven zum negativen Pol fließen. (Dann muss er innerhalb der Stromquelle vom negativen zum positiven Pol weiterfließen.) Es ist keineswegs so, dass die Stromrichtung früher aus Unkenntnis "falsch" definiert wurde. Die Bewegungsrichtung der Ladungen hängt darüber hinaus vom Ladungsvorzeichen ab und vom elektrischen Feld. Der Strom fließt aus dem Pluspol der Batterie zum Widerstand und von dort wieder ungeschwächt zum negativen Pol der Batterie zurück und durch sie hindurch, immer im Kreis herum. Der Strom kann durch positive oder negative Ladungen transportiert werden, sogar abschnittsweise unterschiedlich (in quasi allen Halbleiterbauteilen, wie z.B. in LEDs), oder durch beide Ladungssorten gemeinsam (z.B. in Elektrolyten oder Plasmen). Eine geänderte Definition der Stromrichtung würde nichts verbessern. Ein Sonderfall, und früher der wichtigste Fall, ist der Transport durch negative Leitungselektronen in metallischen Leitern.
10. Der Spannungsbegriff im elektrischen Stromkreis ist didaktisch komplex und wird anderswo diskutiert. Hier sei nur darauf hingewiesen, dass die Elektrodynamik keine kausale, sondern eine konsistente Theorie ist. Sie beschreibt nicht, was die Ursache wovon ist, sondern Bedingungen, die gleichzeitig vorhanden sind. So kann man zwar einerseits die Spannung als Ursache für einen Strom ansehen, aber auch einen Strom als Ursache für eine Spannung. Im ersten Teil der Aussage bezieht man sich eher auf die Spannung der Stromquelle, im zweiten Fall auf den Spannungsabfall an einem Widerstand. Ähnlich verhält es sich bei Oberflächenladungen: Sie sind einerseits eine Ursache für das elektrische Feld in Leitern mit Widerstand und können damit als eine Ursache des Stroms angesehen werden, andererseits schafft sich der Strom während des Einschaltvorgangs die Oberflächenladungen und das elektrische Feld selbst: der Strom ist auch eine Ursache für Oberflächenladungen und Feld im Leiter (neben dem Feld, das von der Batterie ausgeht).
11. M.E. hat der Energiestromdichte-Vektor S (Poynting-Vektor) in der Schule nichts zu suchen. Aber der Lehrer sollte damit für sich argumentieren können, damit er problematische oder unnötig komplizierte andere Modelle des Energietransports im Stromkreis (z.B. über die potenzielle Energie) vermeidet.
Ein Modell für die Behandlung von Energie- und Strom-Transport nach dieser "Vermeidungs-Strategie" finden Sie im Büchlein des Autors:
Horst Hübel, Der einfache elektrische Stromkreis - altes Wissen und neue Erkenntnis, 2019, Books on Demand, Norderstedt, ISBN 978-3-7460-6838-1 |
Vgl. auch folgende Links:
*) In der Umgangssprache steht
"Strom" eher für "Elektrizität" oder "elektrische Energie". In diesem
Sinn argumentieren Schüler mit ihrem Vorwissen weitgehend richtig, wenn
auch mit der Umgangssprache. Wenn sie von "Stromspannung" reden, meinen
sie vielleicht "elektrische Spannung" im Unterschied zur Spannung einer
Feder oder Bogensehne. Und wenn sie vom "Stromverbrauch" sprechen,
meinen sie vielleicht den "Verbrauch" (genauer die Umwandlung) von
elektrischer Energie.
(August 2019)