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Kommentare und Wünsche

© Horst Hübel Würzburg 2005 - 2018

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Warum man in der Schule Spannung im Stromkreis nicht über die potenzielle Energie definieren sollte.

Was bedeutet es, wenn gesagt wird, ein Körper (ein System) habe potenzielle Energie?

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Beispiel 1:

Ein Stein mit der Masse m befinde sich im Gravitationsfeld der Erde, die selbst eine Masse M hat mit M >> m. Fakt ist, dass die Energie im System der beiden Massen und dem Gravitationsfeld (Wechselwirkungsenergie) steckt. Um sie zu vergrößern, müssen wir nämlich Arbeit verrichten, indem wir den Stein anheben. Diese Energie hängt allein von der Masse m und ihrer Position im Gravitationsfeld ab. Wegen m << M kann man davon ausgehen, dass m das Gravitationsfeld der Erde nicht beeinflusst. Es  ist ganz zweckmäßig, das Gravitationsfeld für sich zu betrachten und die Wechselwirkungsenergie des Systems willkürlich allein dem Stein zuordnen: Deshalb ist es gerechtfertigt, von der "potenziellen Energie des Steins im Gravitationsfeld der Erde" zu sprechen. Es handelt sich um eine Sprechweise, nach der die Energie ganz im Stein lokalisiert
ist.

Beispiel 2:

Obwohl die physikalischen Verhältnisse in einem Doppelsternsystem mit vergleichbaren Massen m und M identisch zu Beispiel 1 sind, würde niemand auf die Idee kommen, potenzielle Energie im Stern A oder aber im Stern B zu lokalisieren. Es ist offensichtlich, dass die Energie im Gesamtsystem steckt. Außer kinetischer Energie hat es aber noch eine andere Energie, die potenzielle Energie genannt wird, weil sie vom Abstand der beiden Sterne abhängt. Sie wird im Relativsystem erkennbar. Sie ist keinem der beiden Sterne allein zuzuordnen. Sie steckt im System mit seinem Gravitationsfeld.

Beispiel 3:

Ein Elektron befindet sich zwischen den beiden Platten eines geladenen Plattenkondensators. Dort herrscht ein elektrisches Feld. Das Elektron besitzt potenzielle Energie, die allein von seiner Ladung und der Position im Kondensator abhängt. Die Situation entspricht dem Beispiel 1. Fakt ist, dass sich elektrische Energie im System Ladung und Kondensatorfeld befindet.

Beispiel 4:

Man kann exotische Atome herstellen, die aus einem positiven Proton und einem negativen Antiproton bestehen, die sich wegen ihrer elektrischen Anziehung gegenseitig umkreisen. Beide haben quasi gleiche Masse und bis auf das Vorzeichen gleiche Ladung. Außer kinetischer Energie haben sie noch eine andere Energie, die potenzielle Energie genannt wird, weil sie vom Abstand der beiden Ladungen abhängt. Sie lässt sich keinem der beiden Teilchen allein zuordnen. Sie steckt im System mit seinem elektrischen Feld. Die Situation entspricht dem Beispiel 2.

Beispiel 5:

Die Platten eines isolierten geladenen Kondensators werden auseinander gezogen. Dazu ist Arbeit notwendig, die als Feldenergie im Kondensator gespeichert ist. Man könnte sie auch potenzielle Energie des Kondensators nennen, weil sie vom Plattenabstand abhängt und nicht von der Geschwindigkeit.

Beispiel 6:


Eine elastische Feder wird weiter gedehnt. Dazu muss Arbeit aufgewandt werden, die als weitere potenzielle Energie in der Feder gespeichert wird. Es handelt sich um potenzielle Energie, weil sie keine kinetische Energie ist und weil sie von der Dehnung der Feder abhängt. Es ist die Feder, die jetzt potenzielle Energie besitzt.

In allen Beispielen können wir die potenzielle Energie einem Körper (Stein, Ladung) an einer bestimmten Position zuordnen oder einem System mit einer bestimmten Konfiguration. Im ersten Fall kann man sagen, der Stein, die Ladung, ... besitze an der Position potenzielle Energie.

In der Elektrostatik funktioniert es in der Regel gut, wenn man den Ladungen im elektrischen Feld eine (in ihnen lokalisierte) potenzielle Energie zuordnet.

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Wie sieht es nun aber in einem Gleichstromkreis mit einer Batterie aus?


Das außerhalb der Batterie vorhandene elektrische Feld ist ein Potenzialfeld (nicht aber das Gesamtfeld). Ladungen in diesem Potenzialfeld tragen also nach der einen Sprechweise eine lokalisierte potenzielle Energie. Allerdings kann man in Lehrbüchern der Elektrodynamik nachlesen, dass ein reines Potenzialfeld nicht in der Lage ist, die Energie für einen stationären Strom herbei zu schaffen. Fakt ist, dass die Energie verteilt im elektrischen Feld steckt. Ist die erste Sprechweise immer ohne Nachteile anwendbar?

Es erhebt sich z.B. die Frage, wie bei bewegten Ladungen Energie im Stromkreis transportiert wird: lokalisiert mit/in den Ladungen, oder nichtlokalisiert im Feld? Nach dem "Rucksack-Modell" oder dem "Bienen-Nektar-Modell" der Schul-Didaktik - beide sehr problematisch - soll die Energie lokalisiert mit den Ladungsträgern herumgetragen werden. Wenn man den Ladungen eine potenzielle Energie zuordnet,
ist das nur konsequent. Abgesehen davon, dass diese Modelle im Widerspruch zur Physik stehen, werfen sie leider begriffliche Schwierigkeiten auf: Woher weiß die Ladung, dass sie bei einer Reihenschaltung von Lämpchen an jedes Lämpchen nur einen Teil ihrer angeblichen Energie abgeben darf? Weiß sie bei Erreichen des ersten Lämpchens schon, dass darauf ein zweites folgt? Deshalb bringen manche Autoren wieder (rückwärts) das elektrische Feld als Träger der nichtlokalisierten Energie ins Spiel und glauben mit Hilfe von "Oberflächenladungen" ein elektrisches Feld in und um den Leiter plausibel machen zu können. Die Elektrodynamik lehrt ja, dass die Energie gemäß dem Poynting-Vektor durch das elektromagnetische Feld um die Leiter transportiert wird. Mit Hilfe des elektrischen Feldes soll den Schülern die didaktogene Problematik mit der in den Ladungen lokalisierten Energie ausgeredet werden.

Die Schul-Didaktik geht also bei der Spannungsdefinition im Gleichstromkreis in vielen Fällen so vor: Erst wird die Spannung auf eine Weise eingeführt, die bestenfalls in Spezialfällen in gewisser Weise sinnvoll ist. Dann bemerkt sie, dass die Lokalisierung der Energie zu Denkfehlern und Widersprüchen mit der Physik führt. Dann widerruft sie die Lokalisierung der Energie auf eine Weise, die selbst problematisch und nicht allgemein gültig ist. (Natürlich ist die Definition der Spannung als Potenzialdifferenz in der Elektrostatik uneingeschränkt korrekt.)

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Vereinfachung durch die übliche Spannungsdefinition


Wäre es nicht einfacher, die Idee von der lokalisierten potenziellen Energie,
die ja doch von begrenzter Tragweite ist, gar nicht erst ins Spiel zu bringen? Dann bräuchte man auch nicht diskutieren, welche Elektronen in den Leitern diese potenzielle Energie denn haben sollen: alle Elektronen, oder nur die Leitungselektronen oder nur die Elektronen an der Fermikante, die allein am Stromtransport teilnehmen? Und, wenn nur ein Teil der Elektronen beteiligt ist, warum haben dann einige Elektronen eine potenzielle Energie und dicht benachbarte keine? Dazu äußern sich didaktische Veröffentlichungen selten.

In älteren Lehrbüchern der Elektrodynamik findet man: Im Stromkreis kommt die Energie von außen (durch chemische "Kräfte" oder Induktion), was traditionell durch eine eingeprägte elektrische Feldstärke E(e) simuliert wird, die kein Potenzialfeld ist, also nicht wirbelfrei. Das Umlaufsintegral verschwindet nicht (da E(e) ein Wirbelfeld ist). Es ist eine Eigenschaft der Stromquelle und wird Urspannung oder Quellspannung (Quellenspannung) U(e) genannt:

       U(e) =  ∫o E(e)·ds

Außerhalb der Stromquelle kann ein Feld E mit einem Potenzial vorliegen, bei dem also das Umlaufsintegral verschwindet. Es ist eine Folge der eingeprägten Feldstärke E(e). Die kompliziert geschriebene 0:

∫o E·ds  = 0    (Wegunabhängigkeit als Bedingung für das Vorliegen eines Potenzialfelds)

kann ergänzt werden:

U(e) = ∫oE(e)·ds  = ∫o E(e)·ds + ∫o E·ds = ∫oE(e) + E)·ds
 
Im Batterieinneren heben sich beide Felder E(e) und E auf (E(e) + E = 0) und es verbleibt allein ein bestimmtes Integral über das wirbelfreie Feld E im Außenraum, wo E(e) = 0.

U(e) = ∫o E(e)·ds  =  ∫a E·ds          (beim rechten Integral erstreckt sich das bestimmte Integral auf den Weg zwischen beiden Polen im Außenraum)

Multipliziert mit der Ladung q, die beim Stromfluss durch den Stromkreis bei einem Umlauf transportiert wird, ist das gerade der Energiesatz: Die Energie, die durch die äußeren Kräfte in der Stromquelle der Ladung q zugeführt wird, ist gleich der Summe der Arbeiten, die das Feld E beim Transport der Ladung q verrichtet, wir wissen: gegen dissipative Kräfte.

Das hätten wir auch ohne Rechnung gewusst; wir hätten uns die Rechnung ersparen können, erst recht unseren Schülern. So einfach ist die Aussage. Wir dividieren wieder in Gedanken durch q: Arbeit pro Ladungsmenge ist als Spannung definiert und so erhalten wir als Form des Energiesatzes eine Kirchhoff'sche Maschenregel: Die Quellspannung U(e) ist gleich der Summe der Spannungsabfälle an den einzelnen Widerständen. Die verwendete Definition der Spannung passt für die Quellspannung wie für Spannungsabfälle.

U(e) = U1 +U2 + ...

Wir brauchen nicht zu wissen, wie die einzelnen Arbeiten zustande kommen. Wir kommen nicht in Versuchung, irgendeine Energie lokalisiert zu denken oder auch nicht.  Wir müssen keine Oberflächenladungen ins Spiel bringen, weil es gleichgültig ist, ob das elektrische Feld in den Leitern irgendwo homogen ist. Es gibt ja (dicke) Leiter, in denen E über einen Querschnitt nicht konstant ist. Wir müssen nur wissen, dass Spannung bei elektromagnetischen Kräften üblicherweise und ganz allgemein definiert ist als Arbeit pro Ladungsmenge, ganz gleich, ob sie eine Ringspannung für einen geschlossenen Umlauf ist (Quellspannung infolge von E(e)), oder eine gewöhnliche Spannung zwischen zwei Punkten (Spannungsabfall infolge von E).


In anderen Fällen (z.B. in einer geschlossenen Induktionsschleife) ist es völlig unmöglich, den Leitungselektronen eine potenzielle Energie zuzuordnen. Dennoch gibt es hier eine Spannung. Mit der üblichen Definition über die Arbeit pro Ladungsmenge (bei Verschiebung der Ladung über einen geschlossenen Weg) kommt man auch hier ohne Tricks und Klimmzüge aus.

Die Definition der Spannung mittels der Arbeit pro Ladungsmenge macht uns das Leben viel leichter als alle Versuche über die potenzielle Energie!
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Wie sollten Schüler argumentieren, wenn sie gefragt werden:


a) Welcher Spannungsabfall entsteht am einzigen Widerstand im Stromkreis?
b) Weshalb fällt an zwei identischen Lämpchen in Reihenschaltung die gleiche Spannung ab?
c) Was verändert sich, wenn in einer Reihenschaltung zwei unterschiedliche Lämpchen vertauscht werden?
d) Warum entsteht an parallel geschalteten Lämpchen trotz unterschiedlichen Widerstands der gleiche Spannungsabfall?

Zu a): In der Batterie wird beim Transport einer Ladung q bei einer Quellspannung U(e) die Energie q·U(e) in den Stromkreis gefüttert. Sie wird ganz benutzt um am Widerstand die Arbeit q·U zu verrichten. Also ist der Spannungsabfall U  am Widerstand gleich der Quellspannung U(e).
 
Zu b): An beiden Lämpchen verrichtet das (elektromagnetische) Feld die gleiche Arbeit. Die in der Stromquelle mit der Ladung q in den Stromkreis geschickte Energie teilt sich in zwei gleichgroße Anteile auf. Auf ein Lämpchen entfällt pro Ladung die halbe Arbeit, also folgt der halbe Spannungsabfall.

Zu c): Durch beide Lämpchen fließt in der gleichen Zeit die gleiche Ladung. Am Lämpchen mit dem größeren Widerstand wird eine größere Arbeit verrichtet, also fällt an ihm die größere Spannung ab. Das gilt unabhängig von der Position der Lämpchen im Stromkreis.

Zu d): Durch den Widerstand R1  fließe in der Zeit t die Ladung q1 . Bei einem Spannungsabfall U1 wird am Widerstand die Arbeit q1·U1 verrichtet. Die Ladung q1  strömt aus der Stromquelle, wobei in das elektrische Feld die Energie q1·U(e) fließt. Wegen der Energieerhaltung muss q1·U(e)  = q1·U1  sein, also ist U1 = U(e) . Gleiches gilt für den Widerstand R2: Beide Spannungen sind gleich: U1 = U2 = U(e) .


Letzten Endes reichen Energieerhaltung und Ladungserhaltung bei der Argumentation aus. Von sich aus werden Schüler aber nicht auf eine solche Argumentation kommen. Sie muss im Unterricht durch die entsprechende Definition der Spannung vorbereitet werden.

Zusammenfassung:

  • Potenzielle Energie ist potenzielle Energie "von etwas", von einem Körper an einem bestimmten Ort (also lokalisiert), oder "in etwas", in einem System mit einer bestimmten Konfiguration.

  • Bringt man beim Stromkreis lokalisierte potenzielle Energie ins Spiel, muss man damit rechnen, einen Widerspruch zur Physik zu konstruieren.

  • Im Gleichstromkreis besteht dieser Widerspruch darin, dass man einerseits behauptet, potenzielle Energie sei in den Leitungselektronen lokalisiert und werde mit ihnen transportiert (so wird es implizit behauptet und durch manche didaktische Modelle konkretisiert, wie durch das "Rucksack-Modell" oder das "Bienen-Nektar-Modell"), dass andererseits die Physik lehrt,  Energie werde gemäß des Poynting-Vektors im elektromagnetischen Feld transportiert.

  • Im Wechselstromkreis schwingen die Leitungselektronen nur auf kürzester Distanz hin und her. Ein Elektron wird nie mit der Energiequelle oder dem "Verbraucher" in Kontakt kommen.

  • Bei einer geschlossenen Induktionsschleife ist es ohne Tricks und Klimmzüge überhaupt nicht möglich, eine Spannung über die potenzielle Energie oder Potenzialdifferenz zu definieren, weil es dort i.A. kein Potenzial gibt.

  • Es wird deshalb dafür plädiert, Spannung in der üblichen Weise und allgemein durch spezifische Arbeit (Arbeit pro Ladungsmenge) einzuführen, und nicht über die potenzielle Energie von lokalisierten Ladungen. M.E. sollte man die Spannung nicht auf eine Weise einführen, die bestenfalls in Spezialfällen brauchbar ist. Die didaktischen Vereinfachungen durch die übliche Methode sind beträchtlich. So kann man auch die Spannung im wichtigen Fall der Induktion erfassen.



∫o ... ·ds bedeutet ein Integral über einen geschlossenen Weg. Nur im Fall eines Wirbelfelds ist es von 0 verschieden, also nicht im Falle eines Potenzialfelds.


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( Januar 2016 , geringfügige Ergänzung 2018 )