© Horst Hübel Würzburg
2005 - 2014
Schüler-Experimente mit Polarisationsfiltern zur klassischen Physik wie zur Quantenphysik |
Abb. 1: Der LCD-Bildschirm stellt eine flächige Quelle
von polarisiertem Licht dar: Sie steht den Schülern in der
Regel für Experimente zur Verfügung. Bei dieser Orientierung des
Polarisators wird alles vom LCD-Bildschirm ausgehende Licht absorbiert. |
Abb. 2: Versuch mit "3" Polfiltern: Bildschirm (BS, entspricht Polarisator PO), Analysator AN und Tester (T). Wenn die Polarisationen von Bildschirm BS und Tester T senkrecht aufeinander stehen, kann kein Licht vom Bildschirm passieren. Ein dazwischen gestellter Analysator AN ermöglicht je nach Orientierung einem Teil der Photonen wieder den Durchtritt. Das kann aufgefasst werden als Versuch zum Nachweis von grundsätzlichen Eigenschaften einer quantenphysikalischen Messung oder als Grundversuch zum Quantenauslöscher (Quanteneraser). |
Schülerexperimente mit Polarisatoren sind mit geringen Kosten verbunden: Ein LCD-Bildschirm steht als flächige Lichtquelle polarisierten Lichts zur Verfügung. Mit einer Polfilter-Brille kann man für 2 Euro zwei Polarisatoren in einer einfachen Halterung erwerben.
Bezugsquelle für Polfilter-Brille:
www.astromedia.de, Tel. 0201/6349760: Liefert u.a. Polarisationsbrille (Nr. 277.PBR, 2 Euro), Polarisationsfolie (Nr. 408.PDI, 7,90 Euro) Beugungsgitter (1000/mm) (Nr. 407.NDI, 4,50 Euro)
Versuche:
1. Wie sind die beiden Filter im vergleich zueinander orientiert? Vergleichen Sie deren Polarisationen mit der des Bildschirms!
2. Wie ist der Bildschirm polarisiert?
3. Farben dünner Blättchen / Spannungsdoppelbrechung
Abb. 3: Vor den LCD-Bildschirm, der polarisiertes Licht abstrahlt,
werden unterschiedlich gewölbte Folien für den Tageslichtprojektor
gehalten. Durch ein Polfilter hindurch werden die Interferenzen des
außerordentlichen oder aber des ordentlichen Strahls betrachtet oder
fotografiert. Je nach Krümmung legt das Licht unterschiedliche Wege
innerhalb der Folie zurück, die zu unterschiedlichen Gangunterschieden
für unterschiedlichen Wellenlängen führt
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Abb. 4: Spannungsdoppelbrechung bei einer Klarsicht- CD-Hülle, vor dem LCD-Bildschirm, ohne Polarisatoren betrachtet. |
Abb. 5: Spannungsdoppelbrechung bei einer Klarsicht-CD- Hülle, vor dem LCD-Bildschirm, mit einem Polarisator betrachtet, dessen Polarisation parallel zu der des Bildschirms ist. |
Abb. 6: Spannungsdoppelbrechung bei einer Klarsicht-CD- Hülle, vor dem LCD-Bildschirm, mit einem Polarisator betrachtet, dessen Polarisation senkrecht zu der des Bildschirms ist. |
4. Doppelbrechung: beide Strahlen unterschiedlich polarisiert
Abb. 7: Doppelbrechung bei einem Kalkspatkristall. Der ordentliche und der außerordentliche Strahl treten mit unterschiedlicher Polarisation gegeneinander versetzt aus. |
Abb. 8: Mit einem Polfilter wird der eine der beiden Strahlen ausgefiltert |
Abb. 9: Mit einem senkrecht dazu orientierten Polfilter wird der andere der beiden Strahlen ausgefiltert. |
5. Versuche zur Quantenphysik (I): (Vgl. Abb. 1 und 2)
5.a Reproduzierbarkeit einer (idealen) Messung:
AN so orientiert, dass Photonen mit be-stimmter Polarisation bzgl. BS passieren können. Wenn T parallel AN orientiert, können alle Photonen auch T passieren (bei idealen Polarisatoren). AN misst dann die Polarisation bzgl. BS; die unmittelbar danach ausgeführte Messung mit T liefert das gleiche Ergebnis.
Quantenphysikalische Messungen sind korrekt: Ein Messergebnis lässt
sich in einer unmittelbar darauf durchgeführten Messung reproduzieren,
wenn sich das System in der Zwischenzeit nicht verändert hat.
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5.b Objektive Un-be-stimmtheit und objektive Be-stimmtheit:
Photonen verlassen den BS mit be-stimmter Polarisation (bzgl. BS). Ein parallel (oder auch senkrecht) dazu gestellter Tester T würde das bestätigen. Zugleich ist ihre Polarisation un-be-stimmt bzgl. der Polarisationsrichtung des schräggestellten Polarisators AN. Deshalb können einige Photonen den Tester T passieren. Bei fast allen Orientierungen von AN kann irgendein Bruchteil der Photonen mit bzgl. BS be-stimmter Polarisation auch den Tester T passieren: Das wird als Nachweis der Tatsache interpretiert, dass die Polarisation der Photonen vor AN un-be-stimmt war bzgl. AN. Der Bruchteil, der AN passiert, hat danach wiederum be-stimmte Polarisation, nämlich be-stimmte Polarisation bzgl. AN - wie mit parallel oder senkrecht gestelltem T zu testen .
Ein Quantensystem, das bzgl. einer Eigenschaft (BS)
be-stimmt ist, kann zugleich bzgl.
einer anderen (komplementären) Eigenschaft (AN) un-be-stimmt sein.
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Das System hat dann die (be-stimmte) Eigenschaft BS, aber es hat nicht die (be-stimmte) Eigenschaft AN.
(Nach dem Passieren von AN hat das System die be-stimmte Eigenschaft AN, aber nicht be-stimmte Eigenschaft bzgl. BS (bzw. T).)
5.c Komplementarität zweier nicht gleichzeitig be-stimmter (messbarer) Eigenschaften:
Schritt a) Filter T so orientiert, dass kein Bildschirm-Licht passieren kann:
=> T senkrecht BS orientiert; den BS verlassen Photonen mit be-stimmter Polarisation bzgl. BS, und auch bzgl. T, nämlich senkrecht dazu
Schritt b) Filter AN zwischen BS und T. Bei geeigneter Orientierung können Photonen passieren: Diese haben vor dem Durchtritt durch T be-stimmte Polarisation bzgl. AN und un-be-stimmte bzgl. T (es ist un-be-stimmt, ob sie parallel oder senkrecht zu T polarisiert sind). Einige von ihnen können deshalb auch T passieren. Dann haben sie wieder be-stimmte Polarisation bzgl. T, diesmal parallel T. Ihre frühere Polarisation bzgl. T (senkrecht) nach dem Austritt aus BS ist völlig vergessen worden. =>
Die Eigenschaften "be-stimmte Polarisation bzgl. AN" und "be-stimmte Polarisation bzgl. T" sind komplementär zueinander. |
Die Messung von T macht dann das Ergebnis von AN ungültig. Allgemeiner:
Ein Quantenobjekt kann nicht alle klassisch denkbaren Eigenschaften gleichzeitig besitzen. |
Ebensowenig kann ein Quantenteilchen zugleich Ort und Geschwindigkeit (Impuls) als Eigenschaften besitzen.
6. Versuche zur Quantenphysik (II):
6.a Modifizierter Doppelspalt mit Polarisationsfolien:
Verwendet wird ein präparierter Doppelspalt, der selbst hergestellt werden kann (Bauanleitung unten). Die beiden Einzelspalte sind mit Polarisationsfolien abgedeckt mit zueinander senkrechten Polarisationsrichtungen. Als Lichtquelle kann ein Laserpointer verwendet werden, oder evtl. noch billiger: eine Laser-Wasserwaage. Eine raffiniertere Variante des Doppelspalts nach einem Vorschlag von Küblbeck kann im Lehrmittelhandel für ca. 30 Euro erworben werden (http://www.muero-fraeser.de).
Der Doppelspalt wird mit Laserlicht bestrahlt, dessen Polarisationsrichtung um 450 gegenüber den beiden Spaltpolarisationen orientiert ist (bei vielen Lasern automatisch erfüllt).
a) Obwohl ein Doppelspalt vorliegt, ist nur das Interferenzbild von jedem der beiden Einzelspalte zu sehen. Das lässt sich unterschiedlich deuten:
Welcher-Weg-Information (WWI) zerstört Interferenz |
(WWI bzgl. des Durchtrittsorts)
b) Stellt man zwischen Schirm und Doppelspalt einen drehbaren Polarisator (Analysator AN), beobachtet man Unterschiedliches:
Abb. 10: Interferenzfigur, erzeugt mit dem unten beschriebenen
Doppelspalt mit senkrecht orientierten Polarisationsfolien.
Oben (Fall a, ohne Analysator AN): Nur Einzelspalt-Interferenz, keine Doppelspalt-Interferenz, da die durchtretenden Photonen durch die Polarisation markiert sind (sie tragen WWI) und weil so im Prinzip der Durchtrittsort bestimmt werden kann. Unten (Fall b, mit unter 450 geneigtem Analysator AN): Doppelspalt-Interferenz, da die Weginformation der Photonen durch AN entfernt wurde; der Durchtrittsort ist un-be-stimmt. |
Die Versuche lassen sich natürlich auch mit klassischen elektromagnetischen Wellen deuten. Das ist auch zu erwarten, da man seit Glaubers Entdeckung der kohärenten Zustände für Licht (1963) ja weiß, wie sich sozusagen die Eigenschaften der beteiligten Photonen auf die elektromagnetische Welle übertragen.
(Kohärente Zustände einer Schwingungsmode sind Zustände un-be-stimmter Photonenzahl einheitlichen Impulses und einheitlicher Polarisation (Drehimpuls); bei ihnen verhalten sich die Erwartungswerte der elektrischen Feldstärke oder der Photonenzahl wie bei einer klassischen Welle. Das wäre nicht der Fall bei einer be-stimmten Photonenzahl, z.B. n = 100000.)
6.b Das letzte Ergebnis lässt sich auch im Sinne eines Quantenauslöschers (Quantenradierer, Quanteneraser) interpretieren: Durch die Polarisationsfolien vor den Einzelspalten wurden die durchtretenden Photonen markiert. Durch AN wird die implizit in den be-stimmten Polarisationen enthaltene Ortsinformation ausgelöscht, deswegen wird die Interferenzfähigkeit zurückgewonnen:Verzicht auf WWI kann Interferenz ermöglichen.
(In diesem Zusammenhang liest man gelegentlich das Schlagwort " Nichtlokalität " oder es wird ein vermeintlicher Wellen- oder Teilchencharakter der Photonen diskutiert. Für die Schule möchte ich eine solche Diskussion nicht empfehlen. Obwohl auch Physiker "Wellen- oder Teilchencharakter" als Chiffre für bestimmte Sachverhalte benutzen - es ist davon auszugehen, dass sie wissen, was sie in Wirklichkeit meinen - müssen Schüler die Schlagworte wörtlich nehmen, weil ihnen die 800 Seiten des Quantenmechanik-Lehrbuchs nicht vertraut sind, auf denen erklärt wird, was darunter zu verstehen ist. Insbesondere wird manchmal versucht, den Fall a) mit einem "Durchtritt der Photonen als Teilchen" in Zusammenhang zu bringen, und den Fall b) mit einem "Durchtritt des Lichts als Welle". Absurderweise könne man dann angeblich nachträglich durch den Analysator AN entscheiden, ob Licht als Teilchen oder als Welle durch den Doppelspalt lange vorher durchtreten hat ("delayed choice"). Mit dem tatsächlichen quantenphysikalischen Begriff der Un-be-stimmtheit sind solche Klimmzüge vermeidbar.)
Abb. 11: Bildschirmfoto vom Programm POLARIS |
Hinweise:
1. Die Versuche zur Quantenphysik (5: Reproduzierbarkeit, Objektive Un-be-stimmtheit und Komplementarität bzw. Quantenauslöscher) können auch mit Hilfe des Simulationsprogramms POLARIS im Schüler"versuch" erschlossen werden (Abb. 11).
2. Um Verwechslungsmöglichkeiten mit den gleichlautenden umgangssprachlichen Begriffen zu vermeiden, werden hier die quantenphysikalischen Begriffe "be-stimmt" und "un-be-stimmt" immer mit Bindestrich geschrieben.
Bauanleitung zum modifizierten Doppelspalt
Die hier vorgeschlagene Variante benutzt zwei Streifen (ca. 5 mm breit; Abb. 13) der oben beschriebenen Polarisationsfolien aus einer Polarisationsbrille. Gemäß der Abbildung 12 werden die Einzelteile nacheinander mit Tesafilm auf ein Diaglas aufgeklebt:
Abb. 12: Es genügen die zwei Klingen aus einem Einmal-Rasierer
ohne Zuschnitt. Damit im Hauptmaximum des Einfachspalts mehrere Maxima der
Doppelspalt-Interferenz liegen, sollte der Spaltabstand (Breite der Stecknadel)
3-5 mal größer als die Breite der entstehenden Einzelspalte sein.
Die Polarisationsfolien wurden hier gewonnen, indem aus beiden "Okularen" der Polarisationsbrillen je ein ca. 5 mm breiter Streifen mit einem Papiermesser (und Metalllineal) ausgeschnitten wurde. Der Rest der Brille kann dann als Analysator AN verwendet werden, oder, wenn der Laser ungeeignet polarisiert ist, als Polarisator vor dem Doppelspalt, der be-stimmte Polarisation mit 450-Neigung zu der der Einzelspalte erzeugt (für das auf den Doppelspalt einfallende Licht).
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Abb. 14: Foto des Doppelspalts auf dem Diaglas |