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© Horst Hübel Würzburg 2005 - 2014

Der logische Gehalt der Newtonschen Gesetze der Mechanik

1. Das 1. NG ist eine qualitative Definition dessen, was man als Kraft verstehen will, nämlich "Kraft soll die Ursache einer Bewegungsänderung sein". Wenn man das 1. NG nicht so auffassen möchte, gerät man in das Problem, dass es sonst scheinbar eine Tautologie wäre: "Eine Kraft liegt vor, wenn eine Kraft vorliegt". Die Definition durch das 1. NG bewährte sich gegenüber der Aristotelischen Definition ("Kraft soll die Ursache für eine Bewegung sein") und erlaubte den Fortschritt durch Newton.

Es kann in diesem Zusammenhang sinnvoll sein, zwischen einem Trägheitsprinzip und dem Trägheits"gesetz" von Newton zu unterscheiden.

Nach dem naturgesetzlichen Trägheitsprinzip ist jeder Körper mit Masse träge, d.h. er versucht stets seinen Bewegungszustand beizubehalten. Das steckt eigentlich nur sehr indirekt im 1. NG.

Nach dem Trägheitsgesetz gelingt ihm das (seinen Bewegungszustand beizubehalten) nur, wenn keine Kraft wirkt. Die hier über die Definition hinausgehende physikalische Aussage, also das Trägheitsprinzip, steckt eigentlich auch im 2. NG.

2. Das 2. NG und das 3. NG zusammen ermöglichen einerseits die Definition von Masse und Kraft, andererseits enthalten sie auch gesetzmäßige Aussagen, nämlich zur Kausalität und zum Auftreten von Kräften.

3. Das 3. NG ermöglicht den Massenvergleich (träge Masse) durch Beschleunigungsmessungen wegen m1·a1 = - m2·a2 bzw.   m1 = - m2·a2 /a1  und erlaubt zusammen mit der Definition des Urkilogramms (Masseneinheit) die allgemeine Definition der Masse. Es enthält weiter die Gesetzmäßigkeit, dass Kräfte (in Inertialsystemen, bei Fehlen externer Kräfte, wenn nur Zentralkräfte vorliegen) stets paarweise auftreten und entgegengesetzt gleich sind. Von den beiden Kräften, (Aktions-)Kraft und Reaktionskraft, ist keine die Ursache der anderen; sie treten immer gleichzeitig und gleichberechtigt auf. Insofern zeigt das 3. NG auf, was für ein eigenartiger Begriff eine Kraft ist.

4. Mit der nun definierten (trägen) Masse kann mittels des 2. NG auch eine Kraft definiert werden. Darüberhinaus*) macht dieses 2. NG (wenn die Kraft einmal definiert ist) die gesetzmäßige Aussage, wie Ursache (F) und Wirkung (a) bei beliebigen Massen miteinander zusammenhängen.

Nach dem 2. NG hat jede Kraft F eine Beschleunigung a zur Folge, die sich aus F = m·a ergibt. Das ist aber gerade die Kausalität, m.E. wichtigster Inhalt der Newtonschen Gesetze. Sie besagt:

      Aus bekannten Anfangsbedingungen x0 und v0 ergibt sich  
  • bei einer eindeutigen Ursache (Kraft F)
  • eine eindeutige Wirkung (a = F/m, v, x)

5. Ein Fallversuch mit dem Ergebnis a = g zeigt, dass in mt·a = ms·g auch mt = ms gelten muss (Gleichheit von träger und schwerer Masse).

6. Wegen der Kausalität nenne ich das 2. NG häufig das "Prophetie-Gesetz der Mechanik", weil es erlaubt, bei bekannten Anfangsbedingungen und bekannter Kraft eine Bewegung für alle Zukunft vorherzusagen (wenigstens im Prinzip). Die Begriffe Kausalität, determiniert oder indeterminiert, Laplacescher Dämon etc. gehören nach meiner Auffassung zur Verknüpfung des Faches Physik mit anderen, besonders weltanschaulichen Fächern dazu.

Innerhalb der Physik gibt es ja auch Einschränkungen zur Kausalität:

(1) In der Quantenphysik ist es prinzipiell nicht möglich, Ort und Geschwindigkeit von einem Teilchen zu irgendeinem Zeitpunkt exakt zu bestimmen (wenn man etwa im Teilchenbild arbeitet). Nach der Heisenbergschen Unschärferelation gibt es hier Einschränkungen, weil die Objekte der Quantenphysik eben keine (klassischen) Teilchen sind, schärfer, weil es in der Mikrophysik keine Objekte gibt, die gleichzeitig Ort und Geschwindigkeit (Impuls) als Eigenschaften besitzen (vgl. "Grundfakten der Quantenphysik"). Deshalb ist der Begriff der Kausalität für Mikroobjekte nicht anwendbar. Die "eigentlichen physikalischen Gegenstände" (z.B. die Wellenfunktion) verhalten sich jedoch kausal bzw. determiniert, wenigstens solange keine weitere Messung durchgeführt wird. Weil Kausalität für Mikroteilchen nicht angewendet werden kann, hat es keinen Sinn zu erwarten, dass Teilchen sich im Bereich der Atom- oder Kernphysik determiniert oder kausal verhalten. Zukünftiges "Verhalten" lässt sich hier nur im Rahmen von Wahrscheinlichkeiten für Messergebnisse vorhersagen.

(2) Bei makroskopischen Systemen ist es aus praktischen Gründen nicht möglich, die Anfangsbedingungen aller seiner Teile zu irgendeinem Zeitpunkt zu bestimmen. Es gibt keine Chance, bei einem Gas etwa von 1023 darin enthaltenen Teilchen Ort und Geschwindigkeit zu ermitteln, wie das nur ein hypothetischer "Laplacescher Dämon" können sollte. Auch hier ist Kausalität nicht anwendbar. Die Thermodynamik und Statistische Mechanik liefern aber immerhin noch Methoden, mit denen man makroskopische Mittelwerte wie Druck, Temperatur oder Entropie in der Zukunft voraussagen kann.

(3) Ebenfalls aus praktischen Gründen ist es häufig wegen einer stets endlichen Messgenauigkeit nicht möglich, Ort und Geschwindigkeit eines Körpers exakt zu bestimmen. Während in den Systemen, die in der klassischen Physik üblicherweise betrachtet werden, kleine Abweichungen in den Anfangsbedingungen nur zu kleinen Abweichungen in den Wirkungen führen, was eine hinreichend gute Vorhersagbarkeit ermöglicht, werden in der Chaostheorie Systeme betrachtet, bei denen kleine Abweichungen in den Anfangsbedingungen zu stark abweichenden Wirkungen führen. In solchen Fällen verhalten sich die Systeme zwar noch determiniert, aber aus praktischen Gründen ist eine Vorhersage der Zukunft nicht mehr möglich. So lässt sich zwar mit Methoden der numerischen Mathematik (PC) der Lauf von zwei Planeten, die Gravitationskräfte auch aufeinander ausüben, um die Sonne zwar beliebig "genau" berechnen, scheinbar sogar für alle Zukunft. Was aber die Rechenergebnisse mit der Realität zu tun haben, ist völlig ungewiss, die ja die gemessenen Anfangsbedingungen, die auch in die Rechnung eingehen, in der Regel geringfügig von den wirklichen abweichen, ganz abgesehen von evtl. geringen Einflüssen, die gar nicht berücksichtigt wurden. Es werden Beispiele diskutiert, wo gerade solchen geringfügigen Einflüsse verheerende Folgen haben, etwa der Flügelschlag eines Schmetterlings in Kanada auf das Wettergeschehen in Europa. Ähnliches gilt für ein Doppelpendel, anharmonische Oszillatoren oder eben das Wettergeschehen (vgl. die vielen Beispiele der "Chaostheorie").

"Vorhersagbarkeit = Vorherberechenbarkeit + Übereinstimmung der Vorhersage mit der Realität"

In der Quantenphysik fehlt prinzipiell die Vorherberechenbarkeit von Mikroteilchen, weil diese nie alle klassisch denkbaren Eigenschaften gleichzeitig besitzen.

In makroskopischen Systemen fehlt die Vorherberechenbarkeit auf mikroskopischer Ebene, weil die Anfangsbedingungen aller beitragenden Teilchen wegen ihrer großen Zahl aus praktischen Gründen nicht ermittelt werden können.

Chaotische Systeme lassen sich zwar vorherberechnen. Was die Rechnung aber mit der Realität zu tun hat, ist offen, da die Anfangsbedingungen aus praktischen Gründen nie exakt ermittelt werden können.

Hinweis:

Einige Didaktiker scheinen zu behaupten, dass das 2. Newton'sche Gesetz ausschließlich eine Definitionsgleichung für F sei. Richtig ist: Durch m und a wird eine Kraft F definiert. Doch sobald diese einmal definiert ist, z.B. die Kraft, die über eine hängende Antriebsmasse M einen Gleiter auf der Fahrbahn beschleunigt, ist eine weitere Definition überflüssig.Vielmehr sagt dann das 2. Newton'sche Gesetz bei z.B. unveränderter Kraft gesetzmäßig aus, welche Beschleunigung sich bei einer jeweils unterschiedlichen Masse ergibt/ergeben wird. Der Fehler in der erwähnten Argumentation liegt darin, dass F, m und a nicht Platzhalter für bestimmte eindeutige, aber noch unbekannte Werte sind, wie etwa bei einem linearen Gleichungssystem in der Algebra, sondern Größen, die miteinander in Relation stehen, also gesetzmäßig beliebig viele Werte von F, m und a miteinander verknüpfen.