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© Horst Hübel Würzburg 2005 - 2015

Stichwort

Zeigen Experimente Oberflächenladungen auf stromdurchflossenen Leitern ?

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Im geschlossenen Stromkreis bei einem stationären Strom erfolgt die Bewegung von Ladungen gegen dissipative Kräfte unter der Wirkung eines elektrischen Feldes E. Z.B. im Fall einer Induktionsschleife ist das ein Wirbelfeld ohne Quellen und Senken, im Fall eines Gleichstromkreises mit einer Batterie wird dieses in der Regel außerhalb der Batterie als ein Feld angesehen, dessen Quellen und Senken die Pole der Batterie darstellen.(*)

Seit einigen Jahren wird in der Physik-Didaktik versucht, die Tatsache, dass Stromdichte j und elektrische Feldstärke E in "dünnen" stromdurchflossenen Leitern dem Leiterverlauf folgen, durch (zusätzliche, nicht durch Atomrümpfe neutralisierte) Oberflächenladungen auf den Leitern des Stromkreises zu erklären. Obwohl es durchaus plausibel ist, dass solche Ladungen entstehen, haben sie m.E. zwar Einfluss auf den Verlauf der elektrischen Feldstärke, nicht aber auf die Stromstärke I, die allein bestimmt ist durch die EMK ("elektromotorische Kraft) der Stromquelle und dem Widerstand R des gesamten Leiterkreises. Die Elektrodynamik lehrt auch, dass ein Anteil E der elektrischen Feldstärke völlig herausfällt, solange E ein reines Potenzialfeld ist. Dieses Feld kann bei konstantem Widerstand ohne Auswirkung auf die Stromstärke beliebig manipuliert werden. Die naheliegendste Manipulation besteht in der Verformung des Leiterkreises.

In der Literatur werden Experimente vorgeschlagen, die die Existenz dieser Oberflächenladungen zeigen sollen. Insbesondere wird ein Experiment geschildert, bei dem die "Ladungsanhäufungen" im Stromkreis durch Abstoßungskräfte auf kleine Körper gezeigt werden soll.

Ein typisches Experiment verwendet einen sehr hochohmigen Leiter, ein Tau, der mit einer Hochspannungsquelle (typisch 10 kV) verbunden ist. Längs des Taus werden zweischwänzige Lamettastreifen aufgehängt. Sie spreizen sich tatsächlich gegenseitig ab, wenn die Hochspannungsquelle angeschlossen ist, und zwar umso stärker, je weiter der Lamettastreifen vom geerdeten positiven Ende des Taus entfernt ist. Freunde dieses Konzepts argumentieren dann, dass die Oberflächenladungsdichte variiert und in der Nähe des negativen Pols maximal sein soll. Sie argumentieren auch, dass die Oberflächenladungsdichte häufig verschwindend klein ist im Vergleich zur Ladungsdichte der Elektronen im Inneren des Leiters. Angeblich soll für manche Situationen sogar ein Elektron ausreichen. Es verwundert, dass ein so kleiner Effekt so große Wirkungen haben soll.

Mit Kontinuitätsgleichung und Ohm'schem Gesetz lässt sich bei Änderung der Leitfähigkeit nachweisen, dass an der Stirnseite zylinderförmiger Leiterstücke positive und negative Ladungsanhäufungen entstehen, die zu einer geänderten elektrischen Feldstärke im Leiterinneren führen. Ich kenne keine Äußerung, ob solche Stirn-Ladungen oder aber Oberflächenladungen auf der Mantelfläche für den oben geschilderten experimentellen Nachweis zuständig sein sollen.

In einer Variante wird das Tau durch eine Kette von Hochohmwiderständen ersetzt. Fotos des Experiments könnten so interpretiert werden, als werde eine Kraftwirkung gerade in der Nähe der oben erwähnten Ladungen an den Stirnflächen nachgewiesen.

Tatsächlich gibt es zu dem Versuch eine alternative Erklärung, die vielen Lehrern bekannt sein dürfte, die Versuche zum Potenzialbegriff mit der Flammensonde oder Schülerversuche mit dem elektrolytischen Trog durchführen (vereinfacht: mit einem angefeuchteten Stück Papier und geeigneten Elektroden). In diesem Sinne wären nämlich die Lamettastreifen als Potenzialsonden aufzufassen, die anzeigen, dass das Potenzial dem Betrag nach vom Potenzialnullpunkt (Erdung) zum negativen Pol ansteigt. Normalerweise kann man solche Potenzialunterschiede im Potenzialfeld nicht nachweisen, weil alle Sonden durch jetzigen oder früheren Kontakt mit Ladungsträgern auf dem falschen Potenzial liegen. Durch vorsichtige Ladungszufuhr kann man dafür sorgen, dass die Sonde gerade soviele positive oder negative Ladungen erhält, wie dem Potenzial an ihrer Position entspricht. Bei der Flammensonde geschieht das durch Ionen aus der Flamme, beim elektrolytischen Trog durch Ionen, die durch das feuchte Papier transportiert werden, beim "Oberflächenladungsversuch" m.E. durch die wenigen Elektronen, die durch das Tau an die jeweilige Position im Potenzialfeld transportiert werden. Im elektrolytischen Trog wird der Potenzialunterschied mit einem Voltmeter nachgewiesen, das sehr hochohmig sein muss, damit der Messvorgang möglichst wenig Einfluss auf die Feldverteilung hat. Bei der Flammensonde verwendet man auch elektrostatische Spannungsmesser und Elektroskope, bei denen sich der Zeiger durch Kräfte abspreizt.

Nach dieser Vorstellung stellt der "Oberflächenladungsversuch" also eine qualitative Messung des Potenzialverlaufs dar. Vermutlich sammeln sich - zum Trost mancher - die bei der Potenzialmessung herangeführten (Korrektur-)Ladungen an der Oberfläche der jeweiligen Sonde. Sie haben aber m.E. mit einem stationären Strom im Leiter so gut wie nichts zu tun.

(Den Versuch im elektrolytischen Trog kann man auch so auffassen, dass Ströme auf gekrümmten Wegen von Elektrode zu Elektrode fließen, dass also die Vektoren von Stromdichte j und elektrischer Feldstärke E tangential zu solchen gekrümmten Linien gerichtet sind. Messungen mit dem hochohmigen Voltmeter verraten dann Äquipotenziallinien (grün) und dazu senkrecht, E-Feld-Linien (rot). Hier werden offensichtlich keine zusätzlichen Oberflächenladungen benötigt, obwohl Spannungen gemessen werden: ein weiteres Argument dafür, dass Oberflächenladungen nicht die ihnen vielfach zugeschriebene Rolle im Stromkreis haben können.)

Ähnlich werden keine Oberflächenladungen benötigt, wenn eine geschlossene Induktionsschleife den ringförmigen E-Feldlinien in einer bestimmten Situation bei der Induktion folgt. Dennoch gibt es eine Induktionsspannung.

Von einem Schülerversuch zur Potenzialmessung im elektrolytischen Trog:

Durch die Kreise in den diagonalen Ecken wird die Lage von kreisförmigen Elektroden markiert. Die elektrischen Feldlinien (rot) werden nachträglich senkrecht zu den Äquipotenziallinien (grün) qualitativ konstruiert.

Vgl. auch Über die Rolle von Oberflächenladungen auf Leitern bei stationären Strömen - ein didaktisches Nebenthema

( Mai 2015 )


stationärer Strom

Ein Strom heißt stationär, wenn er nicht dadurch entsteht, dass unterwegs elektrische Ladungen erzeugt oder vernichtet werden. Ein konstanter Gleichstrom ist das Paradebeispiel für einen stationären Strom.

Dissipative Kräfte sind Kräfte, durch die Energie, z.B. elektrische Energie, in Wärme bzw. innere Energie umgewandelt wird. Im Leiter werden Ladungen durch das elektrische Feld beschleunigt. Durch Stöße mit Atomrümpfen z.B. verlieren sie diese Energie ganz oder teilweise ("Stromreibung"), wodurch sich der Leiter erhitzt.

* Strenggenommen kann kein Potenzialfeld die Energie für einen stationären Strom herbeischaffen. Im Fall eines Gleichstromkreises mit einer Batterie ist dafür das formale Wirbelfeld E(e) zuständig, bei der Induktion das dabei entstehende elektrische Wirbelfeld.

Als "dünn" soll hier ein Leiter bezeichnet werden, dessen Durchmesser klein im Vergleich zur Länge ist, so dass die Feldlinien in seinem Inneren quasi parallel verlaufen. Aus der Wirbelfreiheit des Potenzialfelds E (im Leiterinneren) folgt dann, dass E über den ganzen Querschnitt konstant ist. Es gibt auch andere Leiter, z.B. ein elektrolytischer Trog oder ein angefeuchtetes Stück Papier (unter Idealbedingungen), bei denen E nur in bestimmten Fällen homogen ist. Für sie gelten die Überlegungen zu Oberflächenladungen sicher nicht.

Elektrisches Feld im Inneren von guten Leitern (Metallen)

Angeblich ist das elektrische Feld im Inneren von guten Leitern stets 0, weil es andernfalls zu Ladungsverschiebungen komme, die erst dann beendet sind, wenn E = 0. Ähnlich wird begründet, dass E auf der Oberfläche von metallischen Leitern (im Außenraum) senkrecht stehe, weil andernfalls Ladungsverschiebungen auf der Oberfläche des Leiters entstehen. Das gilt aber nur für den stationären Zustand. Bei Stromfluss im geschlossenen Stromkreis wird dagegen (im Prinzip) der stationäre Zustand nie erreicht.

Der fließende Strom ist vielmehr der erfolglose Versuch, einen solchen stationären Zustand zu erreichen. Insbesondere bei der Induktion ist das elektrische Feld im Leiter wesentlich für die Entstehung eines Induktionsstroms.

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( Mai 2015 )