G27 Wellen im dreidimensionalen Anschauungsraum |
Schallwellen oder klassische elektromagnetische Wellen sind Wellen im Anschauungsraum, der naturgemäß dreidimensional ist. Für jeden Ort des Anschauungsraums sind nämlich die Eigenschaften der Welle, "Auslenkung", Amplitude und Phase an jedem Ort des Raums zu einem bestimmten Zeitpunkt messbar, sogar eindeutig. Man fasst deshalb eine solche Welle als realistische Welle auf. Entsprechendes gilt auch für Wellenpakete aus solchen Wellen: Ein Schall- oder Radiowellenpuls hat an einem bestimmten Ort unseres Anschauungsraums zu einem bestimmten Zeitpunkt eindeutig messbare (von Ort zu Ort verschiedene) Amplituden und Phasen.
Im Unterschied dazu sind die Wellen der Schrödinger-Gleichung (die so genannten Wellenfunktionen) i.a. nicht direkt messbar und in diesem Sinn auch nicht realistisch. Sie erhalten einen realen Sinn durch die Born'sche Wahrscheinlichkeitsdeutung (1926), nach der ihr Betragsquadrat proportional zur Wahrscheinlichkeit ist, ein Teilchen in der Umgebung eines bestimmten Ortes nachzuweisen. Bereits bei einem Zweiteilchen-Problem hängt die Wellenfunktion von den 3 Ortskoordinaten ab, an denen man die Wahrscheinlichkeit für das eine Teilchen bestimmen möchte und von den 3 Ortskoordinaten, an denen man die Wahrscheinlichkeit für das zweite Teilchen bestimmen möchte. Bereits bei zwei Teilchen ist die zugehörige "quantenmechanische Welle" also eine Welle in einem 6-dimensionalen Raum, einem abstrakten, so genannten Konfigurationsraum, wenn nicht einmal die Spins berücksichtigt werden.
Die "Wellen" der Quantenphysik sind im allgemeinen keine realistischen Wellen, u.a. weil sie nicht direkt messbar sind. Sie sind lediglich mathematische Hilfsmittel zur Berechnung von Wahrscheinlichkeiten. |
Die fälschliche Annahme, dass die Wellen der QM realistische Wellen seien, führt zu verschiedenen Verständnisproblemen, z.B. im Zusammenhang mit dem so genannten "Kollaps der Wellenfunktion". Insofern ist auch der frühere Begriff "Materiewelle" irreführend, den man fälschlicherweise so auffassen könnte, als würde sich hier die Materie wellenförmig ausbreiten, wie etwa eine Schallwelle. Wenn man von einer Materiewelle sprach, meinte man, dass auch bei Elektronen, Neutronen, Atomen, ... bestimmte Experimente mit dem Modell von Wellen qualitativ und zum Teil quantitativ erklärt und gedeutet werden können. Die Quantenmechanik beschreibt das Verhalten solcher Teilchen sogar exakt und vollständig, soweit es überhaupt Gegenstand der Physik ist. Über Eigenschaften, die ein Teilchen im vorliegenden Zustand nicht besitzt, kann die Quantenmechanik nur Wahrscheinlichkeitsaussagen machen. Insbesondere kann ein Quantenteilchen nicht zugleich die Eigenschaften "Ort" und "Impuls" (bzw. "Geschwindigkeit") haben.
Tatsächlich gibt es auch in der Quantenphysik Wellen im 3-dimensionalen Ortsraum im Sinne des Anschauungsraums. Dazu gehören elektromagnetische Wellen. Vgl. "kohärente Zustände"und "Gibt es Materiewellen - etwa beim Atomlaser?"