Quantenphysik für die Schule © Horst Hübel Würzburg 2005-2009 |
Sprechweise |
Kommentar |
"das Elektron im H-Atom als stehende Welle" | Natürlich ist das Elektron immer ein Teilchen (im Sinne der Quantentheorie; ein Quantenteilchen) und niemals eine Welle, auch keine stehende. Gemeint ist, dass innerhalb der Schrödinger-Theorie für das eine Elektron des H-Atoms die Wellenfunktion (!) eine stehende Welle bildet, aus der durch Bildung des Betragsquadrats die Wahrscheinlichkeit folgt, das eine Elektron bei einer Messung in einem bestimmten Volumenelement ΔV tatsächlich nachzuweisen. |
Ein Teilchen geht (tritt hindurch, ...) beim Doppelspalt durch den einen Spalt oder den anderen zu einem Punkt der Interferenzfigur. | Es gibt keinen Weg eines Teilchens von der Quelle zum Nachweisort. Von einem solchen Weg zu reden ist physikalisch sinnlos, wenn man nicht durch eine Messsung z.B. den Durchtrittsort durch einen Doppelspalt festgestellt hat. Dann gibt es aber keine Interferenzfigur mehr. |
Ein Elektron fliegt durch den Spalt zu einem Maximum der Interferenzfigur. | Entsprechend. Das Verb "fliegen" ist noch konkreter als "gehen" und würde noch stärker auf einen in Wirklichkeit ohne Messung nicht vorhandenen Weg hinweisen. |
Obwohl Photonen, Elektronen, Atome, ... Teilchen im Sinne der Quantentheorie
sind, sind sie keine klassischen Teilchen. Die Abweichungen vom
Verhalten klassischer Teilchen werden häufig durch das Schlagwort
"Wellencharakter" charakterisiert.
Dahinter steckt einerseits die Beobachtung der Interferenz, die früher nur bei Wellen möglich schien, andererseits die Tatsache, dass es für die Zustände von Teilchen der Quantentheorie Wellengleichungen gibt, deren Lösungen Wahrscheinlichkeitsaussagen machen über das Eintreten bestimmter Messwerte an diesen Teilchen. Die Schrödinger-Theorie ist z.B., obwohl in ihrem Zentrum die Schrödinger-Gleichung als eine Wellengleichung steht, eine Gleichung für Zustände mit einer be-stimmten Teilchenzahl, also für 1-Teilchen- oder 2-Teilchen- oder 3-Teilchen-Zustände usw., also die Grundlage einer "Teilchen-Theorie" im obigen Sinne. Die Sprechweise von den unterschiedlichen "Charakteren" der Quantensysteme wird hier nicht verwendet, weil die korrekte Darstellung - Teilchen, aber keine klassischen Teilchen - einfacher erscheint und zudem widerspruchsfrei im Vergleich zu den Sprechweisen mit sich widersprechenden "Charakteren". Wie z.B. Mittelstaedt (Philosophische Grundlagen der Modernen Physik) dargelegt hat, ist es ohnehin fraglich, ob es sich um den jeweiligen "Charakter" dieser Objekte handelt, oder eher um die Art, wie wir von diesen Objekten Kenntnis nehmen. Zeilinger sagt z.B. "Indeed, following Bohr, I would argue that we can understand quantum mechanics, if we realize that science is not describing how nature is but rather expresses what we can say about nature." In diesem Sinne sollte man also auch nicht davon reden, dass "je nach Versuchsanordnung das Quantensystem Teilchen- oder Wellencharakter zeigt", oder dass man mit bestimmten Versuchsanordnungen vom Teilchencharakter in den Wellencharakter "umschalten" könne. Mit einer solchen Sprechweise ist lediglich gemeint, dass man viele solcher Erscheinungen zumindest qualitativ erklären kann, wenn man einmal das Teilchen-Modell, das andere Mal das Wellen-Modell benutzt. Mit dem angeblich veränderlichen "Charakter" des Objekts hat das nichts zu tun, weil man für dieselbe Erscheinung in vielen Fällen sogar das eine oder das andere Modell anwenden kann, wenn auch evtl. nicht so einfach (z.B. Gitterbeugung im Teilchen-Modell, wie Duane schon 1923 gezeigt hat). |
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Photonen, Elektronen, Atome, ... sind Teilchen im Sinne
der Quantentheorie, d.h. abzählbare Objekte. Sie sind aber keine
klassischen Teilchen, die alle klassisch möglichen Eigenschaften
zugleich hätten. Die Abweichungen gegenüber klassischen Teilchen
sind gerade der Gegenstand dieser Überlegungen.
Die grundsätzliche Kritik an den veränderlichen "Charakteren" der Quantensysteme ist schon beim Stichwort "Wellencharakter" angeführt worden. Bei den beiden "Charakteren" wird Teilchen-Welle-Symmetrie mitgedacht. Sie gibt es - modifiziert - tatsächlich, passt aber eher für die Theorie quantisierter Felder, eine Art Rahmentheorie für die Quantenphysik, die hier nicht im einzelnen dargestellt werden kann. |
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Materiewelle |
Übliche Bezeichnung für Schrödinger'sche Wellenfunktionen. Man soll sich aber nicht vorstellen, dass sich Materie "wellenförmig" ausbreiten würde, wie etwa eine klassische elektromagnetische Welle oder Schall, oder dass Materieteilchen zugleich in irgendeiner Situation Wellen seien. Gemeint ist vielmehr, dass man viele Phänomene der Materie (Elektronenmaterie, Neutronenmaterie, atomare Materie, ... ) durch nicht realistische (nicht materielle) "Wahrscheinlichkeitswellen" beschreiben kann, die aber nur dazu geeignet sind, Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten be-stimmter Messwerte zu berechnen. Natürlich muss man die hier diskutierten Phänomene zur Kenntnis nehmen. Darüber hinaus gibt es solche Wellen aber nur in den Köpfen der Physiker, die sie mit Recht zur Vorhersage von Wahrscheinlichkeiten benutzen. Die Schrödinger'schen Wellenfunktionen breiten sich nicht im 3-dimensionalen Anschauungsraum aus, sondern in abstrakten Räumen, die bereits bei einem Zweiteilchen-Zustand 6-dimensional sind. Auf einer etwas niedrigeren Stufe kann man auch sagen, dass sich für bestimmte Phänomene der Materie das Wellenbild (Wellenmodell) eher zu einer qualitativen Beschreibung eignet, wie für andere eher ein Teilchenbild.
Die eben diskutierten Wellen entsprechen nicht elektromagnetischen Wellen. Eine direkte Entsprechung zu der elektromagnetischen Welle einer Lasermode etwa stellt ein Atomlaser (Ketterle 1996) dar. Beide können dargestellt werden als kohärente Zustände mit un-be-stimmter Photonenzahl bzw. un-be-stimmter Atomzahl. Beide lassen sich mehr oder weniger exakt durch Wellen im 3-dimensionalen Anschauungsraum beschreiben. Deshalb ist für einen Atomlaser der Begriff "Materiewelle" eher passend. |
Ein Elektron trifft an einer Stelle innerhalb des Maximums auf (schlägt auf). |
Durch das Verb "auftreffen", oder noch konkreter, "aufschlagen", wird
fälschlich suggeriert, dass das Elektron aus einer bestimmten Richtung
mit einer bestimmten Geschwindigkeit an die betreffende Stelle gelangte.
Es gibt aber keine Bahn des Elektrons im Sinne von aufeinanderfolgenden Orts-Geschwindigkeits-Werten.
Richtig ist, dass das Elektron an einer bestimmten Stelle innerhalb des Maximums nachgewiesen wird. Die Quantentheorie sagt die Wahrscheinlichkeit vorher, mit der das geschehen wird. Mehr kann man physikalisch nicht dazu sagen. Es gibt keinen Weg des Teilchens dorthin; von einem solchen zu sprechen, ist (physikalisch) sinnlos. Es macht keinen Sinn, danach zu fragen, wie das Teilchen zum Nachweisort kam. Deshalb wird hier auch immer der Begriff "Nachweiswahrscheinlichkeit" verwendet anstelle der bei anderen Autoren beliebteren "Aufenthaltswahrscheinlichkeit", weil sich ein Teilchen m.E. ohne eine Messung nirgendwo "aufhält". Erst, wenn eine Orts-Messung vollzogen wurde, hält es sich (bis zu einer Störung oder Messung einer komplementären Größe) an diesem Ort auf. Dazu braucht man dann aber keine Wahrscheinlichkeit mehr. |
Ein Elektron hält sich auf einer bestimmten Bahn um das Atom oder an einer bestimmten Stelle innerhalb eines "Orbitals" auf. |
1. Es gibt keine Bahn (im Sinne von aufeinanderfolgenden
Orts-Geschwindigkeits-Werten) von Mikroteilchen. Es kann sich also nie auf
einer solchen "Bahn" aufhalten.
2. Auch, wenn man ein Elektron an einer bestimmten Stelle nachgewiesen hat, hat es sich i.A. dort vorher nicht "aufgehalten", sondern der Ort ist i.A. erst durch die Messung entstanden. Nach Grundfaktum Ic hat ja ein Quantensystem ohne eine Messung die betreffende Eigenschaft nicht. (Die Einschränkung "i.A." hängt damit zusammen, dass man dann, wenn ein Elektron an einer bestimmten Stelle nachgewiesen wurde, es kurze Zeit später am gleichen Ort findet, wenn in der Zwischenzeit keine "Störung"/Veränderung des Systems eingetreten ist.) |
Ein Teilchen interferiert beim Doppelspalt mit sich selbst. |
Zur Interferenz müsste - nach einer klassischen Vorstellung - das
Teilchen durch beide Spalte eines Doppelspalts zugleich gehen, was nicht
denkbar ist. Ebenso wie Elektronen oder Neutronen sind auch Photonen unteilbar.
Und ohne Messung hat bekanntlich kein Quantenteilchen einen Weg.
Auch Physiker verwenden manchmal diese irreführende Sprechweise. Sie wollen damit darauf hinweisen, dass bereits dieses eine Teilchen einer Wahrscheinlichkeitsverteilung genügt, die dem Interferenzfeld einer Welle entspricht. Mit Tricks gelingt es sogar, Licht von 2 getrennten Lasern gleicher Wellenlänge und Polarisation zur Interferenz zu bringen, selbst bei geringster Intensität, so dass immer nur 1 Photon im Experiment ist (vom Laser 1 oder vom Laser 2 ?). Hat man ein Photon in einem Maximum der Interferenzfigur etwa nachgewiesen, so ist vollkommen offen, von welchem Laser es "kam" (es "kam" ja gar nicht!). Gelänge ein solcher Nachweis, wäre die Interferenzfigur verschwunden. Das Argument zeigt, dass es sinnlos ist, jetzt von der Interferenz von einem Photon (im Sinne der Wellentheorie) zu sprechen. |
Ein im Potentialkasten hin- und herlaufendes Teilchen entspricht einem hin- und herlaufenden Wellenpaket. |
Eigentlich korrekt: Mit dem Verb "entspricht" wird ja nicht behauptet,
dass das Teilchen ein Wellenpaket
sei. Das Wellenpaket beschreibt ja nur die Wahrscheinlichkeitsverteilung
für das Eintreten von Messwerten, wenn man an diesem Teilchen Ortsmessungen
vornehmen würde. Ich würde aber lieber formulieren: "wird beschrieben
durch ... ".
Solche Zustände mit hin- und herlaufenden Wellenpaketen sind keine Zustände, die man mit an der Schule üblichen Betrachtungen erhält. In der Schule fragt man nach Zuständen be-stimmter Energie, indem man z.B.Sinus- oder Cosinuswellen in den Potentialkasten einpasst. Oder anders: Solche, in der Schule leicht zugänglichen Zustände be-stimmter Energie (stationäre Zustände) entsprechen nicht hin- und her laufenden Teilchen. Im strengen Sinn kann es ein hin- und herlaufendes Teilchen im Potentialkasten gar nicht geben, da dies ja die gleichzeitige Existenz von Ort und Geschwindigkeit des Teilchens voraussetzen würde, was unmöglich ist. |
Ein das H-Atom umkreisende Elektron entspricht einem Wellenpaket, das den Atomkern umkreist. |
Bis auf das Wort "umkreisend" ist das eigentlich richtig: Wenn man schon ein solches umkreisendes Elektron betrachten möchte, müsste man für die Wahrscheinlichkeitsverteilung für den Ausgang von Ortsmessungen Wellenpakete konstruieren. Durch das Verb "entspricht" wird angedeutet, dass solche Elektronen in so präparierten Zuständen keine Wellenpakete "sind". Wieder würde m.E. besser passen: "wird beschrieben durch ... ". Bei sehr hoch angeregten Alkali-Atomen, so genannten "Rydberg-Atomen" wurde das auch gemacht. Solche Atome ähneln - dem Korrespondenzprinzip entsprechend - klassischen Planetensystemen. Hier hat es - für die äußeren Elektronen - einen gewissen Sinn, von umlaufenden Elektronen zu sprechen, die durch Wellenpakete beschrieben werden. Im Allgemeinen ist das aber nicht der Fall: Normalerweise werden stationäre Zustände der Atome betrachtet, bei denen es keinen Sinn hat, von einem umlaufenden Elektron zu sprechen (stationäre Zustände sind Zustände mit be-stimmter Energie; Ort und Geschwindigkeit sind dabei völlig un-be-stimmt). |
Die Un-be-stimmtheits-Relation (Heisenbergsche Un-be-stimmtheits-Relation, HUR) ist eine Folge der unvermeidlichen "Störung" durch einen Messvorgang. |
Es ist richtig, dass ein Messvorgang i.A. das Quantensystem
verändert.
Für die Quantenphysik wichtig ist, dass diese Veränderung eben vor allem darin besteht, dass die Eigenschaft, die durch die Messung mit einer bestimmten experimentellen Anordnung untersucht wird, be-stimmt wird (einen Sinn erhält), obwohl sie vorher evtl. nicht be-stimmt war. Klassische Modelle zum Messprozess (wie das "Heisenberg-Mikroskop" oder Feynmans "Eletronenbeleuchtung" beim Doppelspalt) kranken m.E. vor allem daran, dass sie letzten Endes davon ausgehen, dass das untersuchte System "in Wirklichkeit" be-stimmte Eigenschaften besitzt, die durch den Messvorgang in einer bestimmten, aber uns unbekannten Weise verändert werden. Sie setzten fälschlich voraus, dass es ein "ungestörtes" Verhalten des Systems gäbe. Solche Modelle können aber - schon mit klassischen Argumenten - plausibel machen, dass man genauere Kenntnisse nicht gewinnen kann - und das war auch ihre historische Funktion in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts. Seit Etablierung der Quantenphysik in den dreißiger Jahren wissen wir vielmehr: Die Un-be-stimmtheitsrelation ist eine direkte Folge der nicht-gleichzeitigen-Messbarkeit bzw. Nichtexistenz zweier komplementärer Messgrößenen als Eigenschaft des Quantenobjekts. So wird sie üblicherweise in der Quantentheorie auch hergeleitet. Welche physikalischen Größen nicht gleichzeitig messbar sind, muss man der Erfahrung entnehmen; es gibt keine Theorie, die das erklären könnte. |
Beim Doppelspalt verhält sich ein Elektron, Photon, ... wie eine Welle, im Detektor wie ein Teilchen. | Es "verhält" sich gar nicht. Gemeint ist: Für die Interferenz lässt sich für verbale Beschreibungen, eher qualitative Aussagen, ... einfacher das Wellenmodell anwenden, für den Nachweis einfacher das Teilchenmodell. |
"Durch eine Pockelszelle können wir von Wellen- in Teilcheneigenschaften eines Photons umschalten." Horgan (Quantenphilosophie S. 132): "Nun zeigte sich, dass bei eingeschalteter Pockels-Zelle das Photon sich wie ein Teilchen verhielt und entweder den einen Weg oder den anderen nahm, ... . War die Zelle hingegen ausgeschaltet, erschien am Detektor am Ende des kombinierten Strahls ein Interferenzmuster - was darauf hinwies, dass das Photon beide Wege durchlaufen hatte." |
Entsprechend: Bei eingeschalteter Zelle erhielt man WWI; damit ist
Interferenz ausgeschlossen.
Bei ausgeschalteter Zelle verzichtet man auf WWI; damit ist Interferenz möglich. Horgan verwendet nur - nicht zwingende - Modelle zur Beschreibung der Versuchsergebnisse. |
Was man m.E. als Lehrer der Quantenphysik nicht tun sollte
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(aktualisiert 2013)