Würzburger Quantenphysik- Konzept

G13 Verschränkte Zustände_1

Überlagerungs-Zustände  Verschränkte Zustände_2  

Lehrtext/Inhalt    Glossar  Versuchsliste

Hierbei handelt es sich um bestimmte Zweiteilchen- oder Mehrteilchen-Zustände mit be-stimmten Eigenschaften des Gesamtzustands, z.B. einem be-stimmten Gesamtimpuls oder einem be-stimmten Gesamtspin (vgl. "Geburtsurkunde des verschränkten Zustands"). Photonenzwillinge oder Elektronenzwillinge sind ein Beispiel. Wie die Eigenschaften des Gesamtzustands durch die beitragenden Teilchen realisiert werden, ist un-be-stimmt. Im verschränkten Zustand sind alle klassisch denkbaren Möglichkeiten dafür überlagert. Man kann nachweisen, dass die beiden Teilchen erst durch eine Messung be-stimmte Eigenschaften erhalten ("Dreiklang verschränkter Zustände"). Ohne eine Messung haben die beiden Teilchen keine individuellen Eigenschaften und keine individuelle Existenz (Vgl. Bertlmanns Socken und "Dreiklang")


entangled
Bei einem (verschränkten) Zweiteilchen-Zustand wird durch die Messung der Eigenschaften eines Teilchens allein schon entschieden, welche der beitragenden klassisch denkbaren Möglichkeiten realisiert ist. Damit steht unmittelbar fest, welche Eigenschaften das zweite Teilchen hat, auch, wenn diese an einem Ort gemessen wird, der Lichtjahre vom ersten Teilchen entfernt ist.

Wird z.B. ein Paar identischer Teilchen mit dem be-stimmten Gesamtimpuls 0 erzeugt, an einem Teilchen dann ein be-stimmter Impuls p gemessen, dann steht instantan fest, dass das zweite Teilchen auch in größter Entfernung den Impuls -p haben muss. Bei Gesamtspin 0 sind die Einzelspins "korreliert", z.B. wie  in der Abbildung links. Die Spinrichtung eines einzelnen Elektrons ist nicht von vornherein durch den Gesamtspin festgelegt. Der Experimentator kann eine beliebige Spinrichtung für seine Messung wählen, und misst auch bzgl. dieser Richtung zwei Spins, die sich zum Gesamtspin ergänzen.

Dieses Grundfaktum der Quantentheorie nennt man "Nichtlokalität". Sie beruht nicht auf einer instantanen Wechselwirkung über große Entfernungen hin (manche Wissenschaftler nennen das sogar "Fernwirkungslosigkeit"), sondern darauf, dass durch eine Messung eine der klassisch denkbaren Möglichkeiten realisiert wird. Es lässt sich nachweisen, dass diese be-stimmte Möglichkeit für die beiden Teilchen bei deren Entstehung noch nicht realisiert war, sondern erst bei der Messung realisiert wurde.

Typisches Kennzeichen eines verschränkten Zustands ist, dass bei Messungen zwar alle möglichen Messwerte für die einzelnen Teilchen erhalten werden können (wenn also der verschränkte Zustand durch die Messung in einzelne Teilchen "aufgebrochen" ist), aber dass nicht alle Kombinationen von Messwerten für die beiden Teilchen vorkommen können. Es treten nur solche Kombinationen auf, die mit dem Gesamtzustand ("Geburtsurkunde") vereinbar sind. Bei dem Spin-Beispiel eines Elektronenzwillings (oben) sind nach Messungen in einer bestimmten Spinrichtung für jedes Elektron beide Spineinstellungen möglich. Es kommt aber nie vor, dass beide Spins gleich ausgerichtet sind. Der Gesamtspin 0 erzwingt das. Das gilt für jede beliebige Wahl der Spinrichtung.

Es gibt Quellen für einzelne Photonenzwillinge oder Biphotonen. Mit einem Trick verwendet man sie jedoch als sichere Quelle für einzelne Photonen. Mit einem Photon des - durch eine Messung aufgebrochenen - Paars wird der gewünschte Effekt (z.B. der Durchgang durch einen Doppelspalt) erreicht und mit einem Detektor nachgewiesen. Der Partner dieses Photons (das Botenphoton oder Triggerphoton) wird auf einem anderen Weg in einen zweiten Detektor geführt. Es hat nur eine einzige Aufgabe: Nur, wenn beide Photonen in Koinzidenz gemessen werden, ist überhaupt gewährleistet, dass ein Photon in der Apparatur war, und zwar genau eines (vgl. Doppelspalt-Interferenz mit einzelnen Photonen). Alle anderen Ereignisse werden nicht beachtet.

Solche Teilchenzwillinge lassen sich herstellen mit Photonen, Elektronen und neuerdings auch mit Atomen (Bücker 2011, Stichwort "twin-atom beams", Atomgruppe Wien). Es gibt auch verschränkte Zustände zwischen einem Photon und einem Atom. Es handelt sich also nicht um eine spezielle Eigenschaft einer bestimmten Teilchensorte.

Auch die Elektronen in der Elektronenhülle eines Atoms bilden verschränkte Zustände. Streng genommen hat also keines der Elektronen der Hülle eine Individualität, sondern nur der Vielteilchenzustand aus z.B. 5 verschränkten Elektronen, beschrieben durch eine 5 x 3-dimensionale Wellenfunktion, wenn man vom Spin absieht. Es stellt also bestenfalls eine grobe Näherung dar, wenn man sich die Elektronenhülle als überlagerte Einelektronenzustände vorstellt.

Ein Beispiel: Es sei gelungen, ein He-Atom in den ersten angeregten Zustand zu präparieren. Messungen an den einzelnen der beiden Elektronen zeigen, dass jedes der beiden die tiefste Energie des Einteilchen-Zustands einnehmen kann oder auch die nächsthöhere. Niemals aber kommt es in diesem Zweiteilchen-Zustand vor, dass Messungen gleiche Werte für die Einteilchen-Energie liefern. Findet man ein solches Elektron im energetisch tiefsten Zustand, steht gleichzeitig auch fest, dass das zweite Elektron im nächsthöheren Einteilchen-Zustand sein muss.

Es kann auch der verschränkte Zustand eines Atoms aus Schwerpunkt und Atomhülle existieren.

Zweiteilchen-Zustände können durch Wellen(funktionen) ψ(x1,x2,t) in einem 2 x 3-dimensionalen Raum beschrieben werden. Sie liefern die Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen in der Umgebung des Ortes x1 und das andere Teilchen in der Umgebung des Orts x2 zu messen. Weil jeder Messort 3 Koordinaten hat, sind das Wellen in einem 6-dimensionalen Raum. Es handelt sich um einen abstrakten Konfigurationsraum, nicht um den Anschauungsraum.

Ein naives Wellenbild von Wellen in unserem 3-dimensionalen Anschauungsraum wird auch damit eindeutig widerlegt.

Verschränkte Zweiteilchen-Zustände kommen in der klassischen Physik nicht vor.  

Experimente  (z.B. das Ostermeyer-Experiment 2009) zeigen ganz klar, dass solche Zustände andere Effekte zur Folge haben als Zustände zweier einzelner Teilchen.

(Das ist einer der Gründe, weshalb statt von Quantenteilchen oft von Quantenobjekten gesprochen wird.)

Vgl. auch G47a Verschränkte Zustände mit un-be-stimmten Einteilchen-Eigenschaften

Hinweis:

1. Ich würde es nicht so formulieren, dass "Verschränktheit" eine besondere mögliche Eigenschaft von Photonen oder Elektronen sei, obwohl das auch nicht eigentlich falsch ist. Aber: Von der Quantentheorie her gibt es nun mal Zustände  (Quantenobjekte) mit 1, 2, 3, ... Teilchen, oder auch Zustände mit un-be-stimmter Teilchenzahl. Zustände mit 1 Teilchen (wie einem Photon oder einem Elektron) sind da nur ein Spezialfall. Außerdem kann ein Zweiteilchenzustand auch aus ganz verschiedenen Teilchen verschränkt sein, einem Photon und einem Atom etwa. So ist es sicher auch nicht sinnvoll, für jedes Paar von Teilchen eine besondere Eigenschaft der "Verschränktheit" zu formulieren. Oder wie Audretsch schreibt: "Dass sich Systeme in verschränkten Zuständen befinden, ist daher im Quantenbereich das 'Normale'." (J. Audretsch, Verschränkte Welt, Wiley, 2002).

2. Nicht jeder Zweiteilchen-Zustand ist ein verschränkter Zustand.

3. Vgl. einen EPR-Versuch mit Photonenzwillingen . Dort wird auch auf ein Simulationsprogramm von R. Erb hingewiesen.

4. Die von mir so genannte "Geburtsurkunde des verschränkten Zustands" legt einige wenige Eigenschaften des Zustands fest, z.B. den Gesamtspin 0.

5. "Dreiklang des verschränkten Zustands": In vielen Fällen entsteht ein verschränkter Zustand aus Einzelteilchen, besteht aber nicht aus solchen, und zerfällt bei einer Messung von Eigenschaften eines Einzelteilchens wieder in Einzelteilchen unter Einhaltung der "Geburtsurkunde". Audretsch spricht in diesem Sinn bei einem verschränkten System von einem "Stoff fast ohne Eigenschaften" (Audretsch,  J., Die sonderbare Welt der Quanten, Beck, 2012). Eigenschaften von Einzelteilchen entstehen in einem solchen Fall erst nach dem "Tod" des verschränkten Zustands durch eine Messung.

(zuletzt aktualisiert 2018; 2023)