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Physik für Schülerinnen und Schüler

Wechselwirkungen - das 3. Gesetz von Newton

© H. Hübel Würzburg 2013

Empfohlene Glossarthemen:

Masse

Wechselwirkung

Kraft

Glossar

Physik für Schülerinnen und Schüler

Impres-sum

Dir ist längst bewusst, dass niemand und nichts eine Kraft haben kann. Zu einer Kraft gehören immer zwei: ein Gegenstand, auf den die Kraft wirkt (an dem sie angreift), und ein Gegenstand, von dem die Kraftwirkung ausgeht, der eine Kraft ausübt. Du hast dich sicher auch schon an die Sprechweisen gewöhnt (z.B. ein Körper, "auf den die Kraft wirkt", "an dem die Kraft angreift", "der eine Kraft ausübt", "von dem eine Kraftwirkung ausgeht".)

Newton entdeckt Wechselwirkungskräfte

Newton erkannte im 17. Jahrhundert aber noch etwas ganz Entscheidendes:

Führe dazu folgende Versuche durch:

Folgerungen

Aus (1), (2): Beide Körper sind elektrisch geladen oder magnetisch, also gleichwertig. Du folgerst: Von jedem muss eine Wirkung ausgehen, an jedem muss eine Kraft angreifen.

Aus (3), (4), (6): Auch wenn es so aussieht, als gehe allein von einem der Körper eine Kraftwirkung aus (actio), so ist diese Kraft doch immer begleitet von einer Kraft, die der andere Körper ausübt (reactio).

Als Folge der Gewichtskraft fällt ein Stein und wird dabei beschleunigt. Gleichzeitig ist eine Kraft vom Stein auf die Erde wirksam, die auch die Erde nach oben beschleunigt. Wegen des großen Massenunterschieds ist die Beschleunigung der Erde aber kaum bemerkbar. Du scheinst auf der ruhenden Erde zu stehen.

Quantitative Messungen

Auf zwei Wagen werden Magnete gelegt, so dass sich ein Nord- und ein Südpol gegenüberstehen. Mit zwei Kraftmessern werden die Kräfte gemessen, die die Magnete aufeinander ausüben.

In diesem Fall wie ganz allgemein gilt:

          Kraft- und Reaktionskraft sind von gleichem Betrag.    

Überlegungen an Beispielen

Stell' dir vor: Ein Astronaut schwebt  ohne Kontakt mit anderen Gegenständen in der Raumstation ISS, versucht sich durch Arm- und Beinbewegungen von der Stelle zu bewegen. Sein Körper "weicht aus", verformt sich, aber insgesamt bleibt der Astronaut an seiner Stelle stehen, der Körper als Ganzen wird nicht beschleunigt. (Für Fortgeschrittene: Der Astronaut kann sich nur um seinen unveränderten Schwerpunkt bewegen.) Erst, wenn er einen Gegenstand findet, auf den er eine Kraft ausüben kann, z.B. die Wand der Raumstation, revangiert sich dieser Gegenstand mit einer entgegengesetzten Kraft auf den Astronauten, die diesen vorwärts treibt. Eine Kraft allein kann einen Körper als Ganzen nie in Bewegung setzen; sie kann nie wirksam werden.

     Eine Kraft allein kann nie wirksam werden.    

Daniel Düsentrieb

Daniel Düsentrieb passierte bei seinem Aufenthalt auf der Raumstation ISS ein Unglück. Er wachte  nachts aus einem Traum auf und fand sich in der Mitte des Raumschiffs wieder, ganz still schwebend. Weder die Seitenwände, noch der "Boden" noch die "Decke" waren erreichbar, weder mit Händen noch mit Füßen. Er versuchte, an die Kommandozentrale heranzukommen, aber, was auch immer er anstellte, er bewegte sich lediglich um seinen Schwerpunkt, der in der Raumschiffmitte unverändert blieb. Streckte er ein Bein vor, bewegte sich ein anderes Körperteil nach hinten. Versuchte er mit einem Arm die Wand hinter sich zu erreichen um sich von ihr abzustoßen, sofort bewegte sich ein anderes Körperteil in die Gegenrichtung und verhinderte so, dass er die Wand erreichte. Es war ein Alptraum! Er war gefangen in der Raumschiffmitte. Da erinnerte er sich seines Namens, atmete einmal kräftig ein, und ... . Was ist hier wohl der Körper A, was der Körper B?

Tug-of-War (Tauziehen) beim Highland Festival in Schottland.
Links die siegreiche Mannschaft einer Brauerei.

Stell' dir eine Situation beim Tauziehen vor: Es ist klar, dass beide Mannschaften Kräfte einsetzen müssen, allein schon um das Seil zu halten. Nehmen wir an, Mannschaft A sei die aktive Mannschaft, vielleicht sogar die "stärkere"; sie übt eine Kraft auf die Mannschaft B aus (actio). Woher kommt die Reaktionskraft von Mannschaft B auf die Mannschaft A? Stell' dir vor, die Mannschaft B stünde auf Glatteis. Könnte A eine große Kraft ausüben? Wohl kaum, denn es würde bereits eine sehr kleine Kraft genügen, um die Mannschaft B zu sich heranzuziehen. Was kann Mannschaft B tun, um nicht sofort zu verlieren? Sie müsste für mehr Reibung zwischen den Schuhen und dem Untergrund sorgen, also z.B. indem sie von ihren Anhängern Sand aufs Eis streuen lässt. (Ich denke, dass die Regeln des Tauziehens das erlauben.) Also: die Reaktionskraft entsteht hier durch die Reibung zwischen den Athleten und dem Untergrund.

Aber stell' dir vor, die Mannschaft B würde das Seil nur lose halten: Mannschaft A könnte auch nur mit einer kleinen Kraft ziehen, weil dann schon das Seil der Mannschaft B aus den Händen gerissen würde. Also: die Reaktionskraft entsteht durch die Reibung zwischen Schuhen und Untergrund, sie wird weitergegeben durch die Kraft, mit der B das Seil hält. A kann nur soviel Kraft ausüben, wie die Reibungskraft bei B und die Haltekraft der Mannschaft B zulassen. Beide Mannschaften bestimmen, mit welcher Kraft gezogen wird.


Wie würdest du also die Athleten einer Mannschaft aussuchen? Muskelpakete nur in den Oberarmen? Oder auch in den Händen zum Festhalten des Seils? Leichtes Schuhwerk oder Schuhe mit kräftigen Profil? Leichte oder schwere Athleten? Je schwerer die Athleten sind, desto mehr "Kraft bringen sie auf den Boden", natürlich mittels der Reibung.

Das 3. Gesetz von Newton

Eine Kraft allein kann auf einen Körper als Ganzen nicht wirksam werden.

Kräfte treten  immer paarweise auf. Sie greifen an unterschiedlichen Körpern an, die eine Kraft am Körper A, die andere am Körper B. Sie sind zu jedem Zeitpunkt entgegengesetzt gleich: "actio gegengleich reactio".

FA = - FB

(fettgedruckte Symbole kennzeichnen Vektoren, hier also Kraftvektoren)

Abstoßende und anziehende Wechselwirkungskräfte nach dem 3. Gesetz von Newton.

FA ist die Kraft, die der Körper A ausübt und die am Körper B angreift.

Beide Kräfte könnten auch durch eine gedehnte bzw. zusammengepresste Feder zwischen den beiden Körpern entstehen.

Die beiden Kräfte werden aus historischen Gründen oft Aktionskraft (actio) und Reaktionskraft (reactio) genannt, oder kürzer, Kraft und Reaktionskraft. Die lateinischen Bezeichnungen gehen noch auf Newton zurück. Aber man darf sich nicht vorstellen, dass die eine der beiden Kräfte die Ursache der anderen ist oder der anderen vorausgeht oder gegenüber der anderen bevorzugt ist. Beide treten immer gleichzeitig auf, keine ist ohne die andere denkbar. Deswegen sollte man sie eigentlich immer "Wechselwirkungskräfte" nennen, damit klarer ausgedrückt ist, dass die eine der anderen nicht vorausgeht, dass sie beide gleichberechtigt sind, zwei Seiten derselben Medaille.

Beispiele

Das 3. Gesetz von Newton spielt überall im Alltag eine wichtige Rolle. Jede beliebige Kraftwirkung wird durch das 3. Gesetz von Newton erst ermöglicht.

1. Wie ist das bei einem startenden Läufer? Er tritt mit einem Fuß nach hinten, gegen den Startblock, und bewegt sich nach vorn? Ganz klar: Er übt eine Kraft nach hinten auf den Startblock  (Körper B) aus, gleichzeitig entsteht aber als Reaktionskraft vom Startblock auf seinen Fuß  (Körper A) eine Kraft nach vorn. Durch das Zusammenspiel vieler Muskeln drückt diese dann den ganzen Körper nach vorn.

2. Ein startendes Auto dagegen erfordert eine Kraft nach vorn. Aber durch die Motorkraft werden die angetriebenen Räder so gedreht, dass sie eine Kraft nach hinten auf den Boden  (Körper B) ausüben. Es entsteht wieder ein Paar von Kräften. Die Kraft greift an den Bodenteilchen (B) an, die mit dem Reifen in Kontakt sind. Sie wirkt nach hinten. Gleichzeitig mit ihr wirkt aber die Reaktionskraft auf den Reifen (Körper A), die entgegengesetzt, also nach vorn gerichtet sein muss. Diese Reaktionskraft drückt letztlich das Auto nach vorn.

3. Die Erde zieht den Mond mittels der Gravitationskraft an. Die Kraft ist vom Mond  (Körper A) zum Mittelpunkt der Erde hin gerichtet.Sie ist dafür verantwortlich, dass der Mond um die Erde kreist. Gleichzeitig wirkt als Reaktionskraft eine entgegengesetzt gleich große Kraft, die von der Erde  (Körper B) zum Mittelpunkt des Monds hin gerichtet ist. Sie bewirkt, dass die Erde um den Mond kreist, wie du leicht sehen würdest, wenn du als Passagier mit Astronauten auf dem Mond stündest. Die Erde verändert ständig ihre Position am "Mondhimmel", behält aber ihren Abstand immer ungefähr bei, typisch für eine Kreisbewegung.

4. Der Raketenantrieb eines Spaceshuttles muss auch im luftleeren Raum funktionieren. Ziel des Antriebs ist es, dass eine Kraft in Vorwärtsrichtung auf das Spaceshuttle (Körper A) wirkt. Was ist dann wohl der Körper B? Wie kommt die Kraft zustande?

Manchmal ist auch die Bezeichnung Kraft und Gegenkraft üblich. Diese Bezeichnungen würde ich aber lieber einer anderen Situation zuordnen, wenn sich nämlich das Gleichgewicht zwischen zwei Kräften einstellt, die am gleichen Körper angreifen. Wenn sich das Gleichgewicht eingestellt hat, sind beide Kräfte  entgegengesetzt gleich, haben also entgegengesetzte Richtung, gleichen Betrag und gleichen Angriffspunkt. Deshalb also: Kraft und Gegenkraft. Sie heben sich dann gegenseitig auf. Die Gesamtkraft auf den Körper ist dann 0:  FA + FB = 0. Bevor sich das Kräftegleichgewicht (KGG) eingestellt hat, überwiegt eine der beiden Kräfte. KGG stellt sich erst allmählich ein.

Irgendwo fand ich einmal eine ganz treffende Formulierung:

        "actio gegengleich reactio" muss, KGG kann gelten.    

Du solltest "actio gegengleich reactio" und Kräftegleichgewicht auseinander halten!

Manchmal ist das gar nicht so einfach zu übersehen, wie z.B. bei den Kräften an einer elastischen Feder.

Die 4 grundlegenden Wechselwirkungen in der Natur

Es gibt 4 grundlegende Wechselwirkungen in der Natur, auf denen alle übrigen Wechselwirkungen beruhen. Weitere Wechselwirkungen konnten mit naturwissenschaftlichen Mitteln bisher nicht festgestellt werden.

a) die Gravitation, die für den Bau des Planetensystems, der Milchstraße, des Weltalls verantwortlich ist,

b) die schwache Wechselwirkung, die für eine Sorte des radioaktiven Zerfalls von Atomkernen verantwortlich ist (ß-Zerfall),

c) die elektromagnetische Wechselwirkung, die für elektrische und magnetische Kräfte verantwortlich ist, also für das meiste, was ein Nichtphysiker in der Natur wahrnimmt,

d) die starke Wechselwirkung, die für den Aufbau der Kernbauteilchen (Protonen und Neutronen) und für den Zusammenhalt der Atomkerne verantwortlich ist.



Aufgaben:

1. Bei Wechselwirkungskräften gilt FA = - FB. Ebenso gilt bei Kräftegleichgewicht  FA + FB = 0. Was macht den Unterschied aus?

2. Skizziere die Vektoren der Wechselwirkungskräfte in folgenden Situationen:

3. Skizziere im Unterschied dazu die Kräfte bei KGG an einer hängenden, mit einem Gewichtsstück belasteten Feder. KGG muss nicht bestehen. Was passiert wohl, wenn die Gewichtskraft überwiegt, was, wenn die entgegengesetzte Federkraft (Rückstellkraft) überwiegt?

4. Auf einen PKW, der mit konstanter Geschwindigkeit auf der geradlinigen Autobahn fährt, wirken zwei Kräfte. Handelt es sich um Wechselwirkungskräfte oder um Kraft und Gegenkraft beim Kräftegleichgewicht? Um welche Kräfte könnte es sich handeln? Der PKW wird nicht beschleunigt, also muss die Gesamtkraft auf ihn 0 sein. Wie lässt sich das erklären?


*)   Der Wasserstrahl ist nicht geladen, wohl aber - durch das Reiben - der Kamm. Wasser besteht aus Wassermolekülen. Die positive Ladung ist - gemäß der chemischen Formel H2O - bei den H-Atomen konzentriert, die negative bei den O-Atome.  Nehmen wir an, der Kamm sei positiv geladen. Dann orientieren sich die H2O-Moleküle so, dass die negativen O-Atome eher in Richtung Kamm zeigen. Man sagt, die Wassermoleküle werden polarisiert. Weil die O-Atome näher an den positiven Kamm-Ladungen sind als die H-Atome, überwiegt eine Anziehungskraft. Deswegen wird der Wasserstrahl in Richtung Kamm verbogen.



Zwei Körper, z.B. zwei Gleiter auf einer Fahrbahn (ohne Luft, unter denen ein Papier als "Schabeschutz" gelegt ist), sind mit einem Faden verbunden. Auf einem Körper sitzt eine (langsam laufende) Motorwinde, am besten akkugetrieben, und zieht den zweiten Körper zu sich heran. Beide Körper bewegen sich aufeinander zu. Bei gleichen (Gesamt-)Massen der Körper ist das besonders eindrucksvoll.

Motorwinde:

Der Versuch erscheint besonders eindringlich, weil hier ganz offensichtlich die Kraft "von der Winde auszugehen" scheint; dennoch werden beide Gleiter beschleunigt.

Das zu verstehen ist aber gar nicht so einfach: Welche Zugkraft die Winde entwickeln kann und welcher der beiden Gleiter die größere Beschleunigung erfährt, hängt auch von den Reibungskräften zwischen den Gleitern und der Unterlage ab. Reibung ist nötig, weil sonst ein einmaliges Zupfen an den Gleitern schon zur dauernden Bewegung führen würde. Ohne Reibung würden beide Gleiter durch einen kurzen Ruck in Bewegung gesetzt werden, und dann würde der verbindende Faden kraftlos "durchhängen". Die Reibungskräfte sind wegen der Normalkraft massenabhängig.

Damit kannst du regeln, welcher Gleiter sich im Labor schneller auf den anderen zubewegt. Zwischen den Gleitern und der Fahrbahn (die ohne Gebläse eingesetzt wird), sollte auch als "Schabeschutz" ein Blatt Papier gelegt werden.

Das ist ähnlich wie im realen Leben: Ein PKW, Läufer oder Fußgänger kann nur dann eine Kraft zum Beschleunigen entwickeln, wenn er eine gleichgroße Kraft mittels der Reibung "auf den Boden bringen" kann.

Hinweise:

1. Eine Diskussion des logischen Gehalts der Newton'schen Gesetze findest du hier.

2. Das 3. NG kann aufgefasst werden als eine Folgerung aus einem Spezialfall des Impulserhaltungssatzes (IES) bei zwei Körpern. Im allgemeinen sind die Aussagen des 3. NG viel weiter gehend. Für diesen Fall - eindimensional mit Koordinaten formuliert - besagt er :

p1 + p2 = konst.

Bei konstanten Massen m1 und m2 führt Ableitung nach der Zeit t zu :

m1·a1 + m2·a2 = 0

also F1 + F2 = 0

(statt der Ableitung dp/dt = m·dv/dt hättest du auch - oft in guter Näherung - schreiben können: Δp/Δt = m·Δv/Δt = m·a mit der Geschwindigkeitsänderung pro Zeiteinheit Δv/Δt, also der Beschleunigung a).

Der Impuls p1 ist im Körper mit der Masse m1 und der Geschwindigkeit v1 enthalten, entsprechend der Impuls p2. F1 ist deshalb die Kraft, die den Körper 1 beschleunigt und F2 die Kraft, die den Körper 2 beschleunigt.

3. Andererseits gilt die Impulserhaltung auch in der Relativitätstheorie. Der Newton'sche Kraftbegriff und insbesondere das 3. NG verlieren hier ihre Bedeutung.

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(2023 Links ergänzt)