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SG009b Kräfte beim Anfahren und Bremsen

© H. Hübel Würzburg 2023

actio gegengleich reactio

Kräftegleichgewicht

Glossar

Physik für Schülerinnen und Schüler

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Um die Vorgänge beim Anfahren und beim Bremsen eines Fahrrads oder PKWs zu verstehen, brauchst du das 3. Newton'sche Gesetz.

Das 3. Newton'sche Gesetz  ("Aktion gegengleich Reaktion"; "actio gegengleich reactio") besagt:

Eine Kraft tritt niemals allein auf. Wenn eine Kraft (FB) auf einen Körper A ausgeübt wird, muss es auch einen zweiten Körper B geben, von dem diese Kraft (FB) ausgeht. Auf ihn wird eine gleich große entgegengesetzte Kraft (FA) (ausgehend von A) ausgeübt.

Du brauchst beim Anfahren und Bremsen auch eine Haftkraft FHaft,R. Diese hängt von Art und Beschaffenheit der reibenden Flächen und vom Gesamtgewicht des Fahrzeugs ab.

actio gegengleich reactio Beim Antrieb:

A entspricht dem angetriebenen Rad, B dem Boden bzw. der Straße.
Das Fahrzeug soll in der Zeichnung nach rechts beschleunigt werden. Die Drehrichtung des Rads dazu ist eingezeichnet (schwarzer Pfeil). Der Motor erzeugt ein Drehmoment, das am Umfang eine Kraft FU (grün; "Umfangskraft") erzeugen kann. Mit Hilfe des Gaspedals wird ihre Größe eingestellt. Sie wirkt ganz oder teilweise auf den Boden, und zwar mit einer Haftkraft FHaft,R. (Dann "verkrallt" sich das Reifenprofil sozusagen maximal in den Untergrund, und zwar gegen die Fahrtrichtung.)

Nach dem Gesetz "Aktion gegengleich Reaktion" revanchiert sich die Straße mit einer entgegegengesetzt gleich großen Reaktionskraft FReakt, die das Rad nach rechts treibt.

Es gibt eine maximale Haftkraft. Dementsprechend gibt es eine maximale Reaktionskraft
. Das ist die maximale Antriebskraft auf das Rad. Auch bei weniger "Gas" sind alle drei Kräfte von gleichem, aber kleinerem Betrag (obere Zeile in der Zeichnung).

Was aber geschieht, wenn die "Umfangskraft" die maximale Haftkraft überschreitet?
Das Rad haftet dann nicht mehr auf der Straße, sondern "dreht durch", was häufig mit lautem Quietschen verbunden ist. Da jetzt das Rad auf der Straße gleitet, kann nur mehr der Anteil der geringeren Gleitreibungskraft FGR "auf die Straße gebracht" werden: Trotz mehr "Gas" ist die Antriebskraft geringer (untere Zeile in der Zeichnung).

Auf Glatteis ist die maximale Haftkraft deutlich verringert. Es kann also nur wenig "Kraft auf die Straße gebracht" werden. Du verstehst, wie sich das auf Bremsverhalten und Steuerbarkeit auswirkt!


Beim Bremsen:

Das Rad rolle mit gleichem Drehsinn wie oben (schwarzer Pfeil). Es wird aber gebremst; die Umfangskraft FU ist in der Zeichnung nach rechts gerichtet. Bei geringerem Druck auf die Bremse wird FU als Haftkraft ganz auf die Straße gebracht. Dann "verkrallt" sich das Reifenprofil sozusagen maximal in den Untergrund, und zwar in Fahrtrichtung. FU ist jetzt von gleichem Betrag wie die Haftkraft. Die Reaktionskraft zu FHaft,R, also FReakt, wirkt auf das Rad und bremst es (obere Zeile in der Zeichnung)

Wenn FU gleich der maximalen Haftkraft ist, wird das Rad optimal gebremst.

Überschreitet jedoch bei zu viel Druck auf die Bremse die Umfangskraft FU die maximale Haftkraft, rutscht das Rad über den Boden und es wird nur mehr mit der kleineren Gleitreibungskraft FGR
gebremst (untere Zeile in der Zeichnung). Im Extremfall dreht sich das Rad nicht mehr,  "blockiert das Rad". Dann lässt sich das Fahrzeug auch nicht mehr steuern. Um das zu verhindern, wird heutzutage ein Antiblockiersystem (ABS) eingesetzt, das das blockierte Rad wieder freigibt.

Hier wurden nur angetriebene oder gebremste Räder untersucht. Bei mitrollenden Rädern spielt Rollreibung die Hauptrolle.

(Idealisierte und vereinfachte Darstellung. Vgl. Stichwort "Schlupf".)



Eine ganz andere Frage ist, wie sich die Beschleunigung beim Anfahren und Bremsen auf mitfahrende Personen oder Lasten auswirkt. Wenn die Haftreibungskraft zwischen Fahrzeug und ihnen genügend groß ist, werden sie mit dem Fahrzeug mitbeschleunigt.

Ausschlaggebend ist aber auch die Trägheit der Lasten. Diese "versuchen", trotz Beschleunigung des Fahrzeugs ihren Bewegungszustand beizubehalten. Beim Anfahren versuchen sie, weiterhin in Ruhe zu bleiben. Beim Bremsen versuchen sie, weiterhin ihre Geschwindigkeit und Bewegungsrichtung ("geradeaus") konstant zu halten. Je nach Haftkraft gelingt ihnen das mehr oder weniger gut.

Aus der Sicht des Fahrzeugs ("im Bezugssystem, dem BZS, des Fahrzeugs") werden die Trägheitseffekte durch eine nur in diesem BZS auftretende Trägheitskraft (eine "Scheinkraft") beschrieben. Danach versucht die Trägheitskraft beim Anfahren, die Last im Fahrzeug - aus der Sicht des Fahrzeugs - nach hinten zu ziehen. Beim Bremsen  versucht die Trägheitskraft, die Last im Fahrzeug - aus der Sicht des Fahrzeugs - nach vorne zu ziehen. Bei einer Kurvenfahrt wird die entstehende Trägheitskraft "Fliehkraft" oder "Zentrifugalkraft" genannt.

Im BZS der Straße gibt es diese Trägheitskräfte nicht. Hier müssen die entsprechenden Effekte mit den 'real' wirkenden Kräften und dem Beharrungsvermögen (der Trägheit) von Passagieren und Lasten beschrieben werden.

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(Juli 2023)