Würzburger Quantenphysik- Konzept

G95 Haben Elektronen oder Photonen einen Wellencharakter?

Verschränkte Zustände     Wellenfunktion 

Lehrtext/Inhalt

Glossar  wissenschaftliche Experimente

Im- pres- sum

Hintergrund der Frage sind Beobachtungen, dass sich Elektronen oder Photonen (wie alle Mikroteilchen) anders als klassische Teilchen verhalten. Besonders auffällig ist zudem die Einteilchen-Interferenz solcher Mikroteilchen, die sehr der Interferenz von klassischen Wellen ähnelt.

Demgegenüber weiß man heute, dass Mikroteilchen eindeutig Teilchen im Sinne des quantenphysikalischen Teilchenbegriffs sind, aber eben keine klassischen Teilchen. Man weiß auch, dass es außer Ein-Teilchenzuständen auch andere Teilchenzustände mit be-stimmter Teilchenzahl gibt, z.B. Teilchenzwillinge, aber auch Zustände, die sich nur durch eine un-be-stimmte Teilchenzahl beschreiben lassen, z.B. kohärente Zustände. Alle diese Zustände werden als Quantenobjekte bezeichnet. Mikroteilchen im Sinne von Ein-Teilchenzuständen sind Träger einiger be-stimmter und unveränderlicher Eigenschaften wie Ruhemasse, Ladung oder Spin; ohne eine Messung dagegen haben sie z.B. keine be-stimmte Geschwindigkeit und keinen be-stimmten Ort. Charakteristisch für Quantenobjekte sind u.a. Un-be-stimmtheit und Komplementarität.

Natürlich kann man die von klassischen Teilchen abweichenden Beobachtungen mit einem neuen Namen belegen, also z.B. auch mit "Wellencharakter" des Teilchens.

Der Benutzer solcher Bezeichnungsweisen muss sich und seinem Gesprächspartner allerdings klarmachen, dass die Bezeichnung "Wellencharakter" in die Irre führen kann, insbesondere, wenn wenig Erfahrung mit der Quantenphysik vorliegt. Zudem ist der Begriff mit vielen historischen Missverständnissen verbunden. Typischerweise wird ein unvoreingenommener Zuhörer bei "Wellencharakter" immer an die ihm bekannten Wellen im uns umgebenden Anschauungsraum denken.

Es ist jedenfalls nicht so, dass

Vielmehr:

Eine ganz andere Frage ist es, ob es zweckmäßig ist, manche Aspekte eines Mikroteilchen in manchen Situationen mit einem Teilchenmodell, in anderen mit einem Wellenmodell anschaulich  zu beschreiben. Dabei wird sozusagen das tatsächliche "Verhalten" eines Mikroteilchens versuchsweise auf das Verhalten klassischer Teilchen oder Wellen abgebildet. Es handelt sich dabei aber nicht um eine physikalische Frage, sondern eine rein didaktische (Wie kann ich die Beobachtungen Schülern, interessierten Laien, ... plausibel machen, wenn ich das Versagen des didaktischen Modells in bestimmten Aspekten in Kauf nehme?) oder um eine methodische (Verhilft mir ein solches anschauliches Arbeitsmodell zu Hypothesen, die durch Messungen und korrekte Quantentheorie bestätigt werden können?)

Wem es gelingt, trotz Verwendung des Begriffs "Wellencharakter" nicht die häufig damit assoziierten Fehlvorstellung zu verbreiten, der möge den Begriff weiter verwenden.

Mir würde das wohl höchstens mit unwirtschaftlichem Aufwand gelingen.

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Durch die gar nicht dudengemäße Schreibweise des Worts "be-stimmt" soll auf seine besondere Bedeutung in der Quantenphysik hingewiesen werden. Damit soll ausgedrückt werden, dass eine Messgröße erst nach einer Messung einen bestimmten Wert hat, auch im umgangssprachlichen Sinn.