SG 155 Was
bedeutet es, wenn gesagt wird, dass man "elektrischen Strom
nicht speichern" könne? |
Impres-sum |
Was auch immer man in dieser Aussage unter "Strom" versteht, sie ist falsch. Aber die Speicherung von "Strom" erfordert in jedem Fall einen hohen, häufig unwirtschaftlichen Aufwand!
1. Wenn "elektrischer Strom" das sein soll, was in der Physik darunter verstanden wird, nämlich "das Fließen" von elektrischen Ladungen, dann muss man auf eine Erscheinung hinweisen, die 1911 von Kamerlingh-Onnes entdeckt wurde, die Supraleitung. Supraleiter sind spezielle Materialien, die unterhalb einer Sprungtemperatur jeden elektrischen Widerstand verlieren. Kein Widerstand kann dann elektrische Energie in Wärme umwandeln. Wenn man in einem geschlossenen Leiterkreises aus diesem Material das Magnetfeld ganz langsam erhöht, und dann schnell erniedrigt, so induziert man einen Strom, der jahrelang verlustlos ohne weiteren "Antrieb" fließen kann. Der Stromkreis muss mit flüssigem He oder günstigstenfalls mit flüssigem Stickstoff unter die Sprungtemperatur gekühlt und auf solcher Temperatur gehalten werden. Sprungtemperaturen liegen typisch unter -269 0C (4 K, der Temperatur von flüssigem He; bei Supraleitern vom Typ I), um typisch -250 0C (23 K; bei Supraleitern vom Typ II), bzw. typisch unter -196 0C (77 K), der Temperatur von flüssigem Stickstoff, letzteres bei den so genannten Hochtemperatur-Supraleitern. Man könnte viele supraleitende Fasern bündeln, um auf hohe Stromstärken zu kommen. Was hat man davon?
a) Anwenden lässt sich der Strom zur "verlustlosen" Erzeugung eines starken Magnetfelds. Solange der Supraleitungs-Strom fließt, würde das Magnetfeld bestehen bleiben. Aber man muss Maßnahmen ergreifen, dass das erzeugte Magnetfeld die Supraleitung nicht zerstört; das gelingt eher bei Supraleitern vom Typ II. Und man muss die supraleitenden Spulen ständig kühlen. Mit Hochtemperatur-Supraleitern erzeugt man die riesigen Magnetfelder für die Ablenkungsmagnete von modernen Teilchen-Beschleunigern wie beim CERN oder DESY, oder auch in Kernspintomographen (MRT) bei medizinischen Untersuchungen im menschlichen Körper. Zur Aufrechterhaltung der Magnetfelder brauchen die supraleitenden Magneten relativ wenig elektrische Energie, abgesehen von der Kühlung. Zur Speicherung von größeren Energiemengen über einen längeren Zeitraum sind supraleitende Magnete aber ungeeignet.
b) In Essen existiert übrigens seit 2014 ein ca. 1 km langes supraleitendes Kabel zur "verlustlosen" Energieübertragung. Trotz der noch hohen Kosten hat es verschiedene Vorteile gegenüber üblichen Hochspannungskabeln.
2. Wenn man aber die umgangssprachliche Bedeutung von "Strom" verwendet, was in der Physik verpönt ist, geht es um die Speicherung von elektrischer Energie. Man möchte elektrische Energie speichern, um kurzzeitige oder mittelfristige Leistungsschwankungen auszugleichen, weil z.B. zu manchen Zeit mehr Windenergie zur Verfügung steht, als gebraucht wird, oder weil zu anderen Zeiten mehr Energie gebraucht wird, als nachhaltige Energiequellen liefern können.
Sie kann z.B. als mechanische Rotationsenergie in großen rotierenden Massen (wenige kWh), in Batterien (Lithium-Ionen-, Natrium-Schwefel-Batterie bei hoher Temperatur, Blei-Säure-Akkus; typisch: kWh bis wenige MWh), als mechanische Lageenergie in Pumpspeicherseen (in Deutschland typisch einige Hundert bis einige Tausend MWh), oder - nach elektrolytischer Zersetzung von Wasser in Wasserstoff- und Sauerstoffgas - in unterirdischen Hohlräumen (einige TWh) oder in den Leitungen selbst gespeichert werden.
Zum Vergleich: ein durchschnittlicher 3-Personen-Haushalt in Deutschland bezieht pro Jahr eine elektrische Energie von ca. 3500 kWh = 3,5 MWh. Ein Blei-Säure-Akku eines PKWs kann typischerweise 1 kWh speichern. Um den Jahresbedarf des Haushalts zu speichern, bräuchte man einige Tausend PKW-Akkus! Der "Stromspeicher" einer Solaranlage auf einem Einfamilienhaus kann typischerweise 10 kWh speichern. Dazu muss man derzeit (2023) noch einige wenige Tausend Euro investieren.
Es gibt auch - noch nicht realisierte - Konzepte zur dezentralen Energiespeicherung, z.B. in den künftigen Millionen von Lithium-Ionen-Akkus der PKWs.
Ein wesentliches Kriterium für die Auswahl eines Energiespeicher ist auch die Speicherdauer. So sind rotierende Massen für kurzzeitige Speicherung (typisch: einige Minuten), Batterien für Stunden bis Tage, Pumpspeicherseen für wenige Stunden, aber Hohlraumspeicher für Monate bis Jahre geeignet.
Energie kann auch als Wärme gespeichert werden. Solche Speicher benötigt die Fernwärmeversorgung.
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( August 2023 )
Oktober 2024: Laut einer Pressemitteilung plant die Firma Vattenfall, demnächst eine Großspeicheranlage aus Lithium-Ionen-Akkus mit einer Gesamtspeicherkapazität (Energie) von 100 MWh in Betrieb zu nehmen. Nach einem Zeitungsbericht sollen von ihr in den kommenden Jahren jährlich Solarparks für 500 MW Leistung und Speicheranlagen für 300 MW zugebaut werden. (Ein Flusskraftwerk am Main oder ein modernes Windkraftwerk ist für eine Leistung von 3 - 4 MW ausgelegt.)
Das könnte nicht nur bei kurzzeitigen Windflauten oder Wolken helfen, sondern auch zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen, wozu sonst schnell zuschaltbare Gaskraftwerke benötigt werden.