Startseite FORPHYS

SG153 Wirkleistung und Blindleistung bei Wechselstrom
© H. Hübel Würzburg 2021

Wechselstrom

Serielle Wechelstromkreise

Wechselstromkreise mit parallelen Schaltungen

Glossar

Physik für Schülerinnen und Schüler

Impres-sum

I Leistung im Wechselstromkreis mit Ohm'schem Widerstand

II Wirkleistung, Scheinleistung und Blindleistung in allgemeinen Fällen

I Leistung im Wechselstromkreis mit Ohm'schem Widerstand

Bei Wechselstrom kommt es in der Regel je nach den vorhandenen Bauteilen im Wechselstromkreis zu Phasenverschiebungen zwischen Stromstärke und Spannung. Wenn jedoch nur ein Ohm'scher Widerstand im Stromkreis ist, sind U(t) und I(t) gleichphasig (z.B. I(t) = I0·sin(ω·t) und U(t) = U0·sin(ω·t)), und wir brauchen gegenüber dem Gleichstromfall nur wenig hinzulernen. Es gilt nämlich für die von der Energiequelle gelieferte oder vom Widerstand aufgenommene Leistung

                      P(t) = U(t)·I(t) = U0·I0·sin2(ω·t)

Die Leistung P ist zeitabhängig. Sie pulsiert im Rhythmus von 100 Hz (Abb. 1), ist aber nie negativ, d.h. die Energiequelle führt dem Widerstand abgesehen von einigen regelmäßigen Zeitpunkten immer (positive) Energie zu. Es könnte sinnvoll sein, den zeitlichen Mittelwert über eine Periode zu betrachten. Weil der Mittelwert <sin2(ω·t)> = 1/2 ist, gilt also <P(t)> = 1/2·U0·I0. Bis auf den Faktor 1/2 ist das wie im Gleichstromfall. Das motivierte für die Definition der Effektivwerte:

                    <P(t)> = Ueff · Ieff,          wobei        Ueff = U0/√2       und       Ieff = I0/√2.

Leistung bei Ohm'schem Widerstand Abb. 1:  Leistung P(t) bei rein Ohm'schem Widerstand (rot). Die zeitlich gemittelte Leistung <P(t)> ist als horizontale Strecke eingezeichnet, zusätzlich noch der Zeitverlauf von Spannung oder Stromstärke (schwarz). Die Periode der Spannung (hier 0,02s, entsprechend der Frequenz 50 Hz) ist doppelt so groß wie die Periode von 0,01 s der Leistung P(t).

Das Vorzeichen der Leistung ist durch die Einfärbung erkennbar. Bei einem rein Ohm'schen Widerstand fließt zu fast allen Zeit Energie (erkennbar an der nie negativen Leistung P(t)) von der Energiequelle zum Widerstand (rötlich eingefärbt). Niemals fließt Energie vom Verbraucher zur Energiequelle zurück.

II Wirkleistung, Scheinleistung und Blindleistung in allgemeinen Fällen           ( zurück )

Leistung bei Wechselstrom bei Phasenverschiebung Abb. 2:  Der Verbraucher enthält Widerstände und Spulen oder Kondensatoren: momentane Leistung P(t) (rot). Es gibt eine Phasenverschiebung zwischen Stromstärke und Spannung (z.B. I(t) = I0·sin(ω·t) und U(t) = U0·sin(ω·t + φ)). In der Zeichnung ist φ = 600.

Die zeitlich gemittelte Leistung <P(t)>, sie wird Wirkleistung genannt (türkis),  ist als horizontale Strecke eingezeichnet. Sie ist deutlich geringer als die Wirkleistung bei rein Ohm'schem Verbraucher (Abb.1). Der Zeitverlauf von Spannung und Stromstärke (blau und schwarz) ist ebenfalls eingezeichnet. Die Periode T der Spannung bzw. Stromstärke (hier 0,02s, entsprechend der Frequenz 50 Hz) ist doppelt so groß wie die Periode von 0,01 s der Leistung P(t).

An der Einfärbung erkennst du, in welchen Zeitintervallen Energie von der Energiequelle zum Verbraucher fließt (P(t) > 0; rötlich) und in welchen Zeitintervallen Energie vom Verbraucher zur Energiequelle zurück fließt (P(t) < 0; bläulich).

Die Energiequelle muss mehr elektrische Energie liefern, als der Verbraucher dauerhaft aufnimmt, als genutzt werden kann. In der Praxis bedeutet das, dass größere Generatoren, Transformatoren und für stärkeren Strom ausgelegte Leitungen benötigt werden. Das spielt auch eine wichtige Rolle bei der Einspeisung aus alternativen Energiequellen.

Es müssen komplizierte Maßnahmen getroffen werden, um die Phasenverschiebung möglichst gering zu halten.

Wenn zwischen Spannung und Stromstärke eine Phasenverschiebung (φ ≠ 0) existiert, wie z.B., wenn Kondensatoren oder Spulen, also auch Elektromotoren, im Stromkreis sind, muss der zeitliche Mittelwert der Leistung durch Integration ermittelt werden.

Du erhältst damit die für die Energieversorgung wichtige Gesetzmäßigkeit für die Wirkleistung

P =  <P(t)> =U0·I0 ·1/2 · cos(φ) = Ueff · Ieff · cos(φ)

mit dem berühmt/berüchtigten Phasenfaktor oder Leistungsfaktor cos(φ).

Als Scheinleistung wird definiert S =  Ueff · Ieff, und als Blindleistung Q = √[S2 - P2] = Ueff · Ieff ·√[1 - cos2(φ)] = Ueff · Ieff ·sin(φ).

Im Allgemeinen ist die (nutzbare) Wirkleistung geringer als die Scheinleistung. Elektrizitätswerke und die Netze müssen aber so ausgelegt sein, dass sie die Scheinleistung liefern können, also mehr als die Wirkleistung, obwohl sie den Überschuss, abgesehen von Verlusten, wieder zurückbekommen. Blindleistung und Scheinleistung belasten die Netze und sorgen für größere Verluste. Der Leistungsfaktor ist ein Maß dafür, wie sich Wirkleistung und Scheinleistung unterscheiden. Ziel ist ein Leistungsfaktor cos(φ) nahe 1.

Wechselstrom-Leistung bei induktiver Last
Abb. 3: Leistung bei rein induktiver Last (φ = π/2)

Bei einem rein induktiven Verbraucher (ideale Spule, z.B. eines idealen Transformators) ist cos(φ) = 0. Die Spule nimmt dann - trotz beträchtlichen Scheitelwerts der Stromstärke - keine Energie dauerhaft auf (Wirkleistung P = <P(t)> = 0), aber die Energiequelle muss evtl. große Leistung zur Verfügung stellen, die sie ganz wieder zurück nimmt.

Bei der Beurteilung des Energiebedarfs geht es also nicht nur um die Betrachtung des "Verbrauchs"  (Privathaushalte zahlen nur für die mit der Wirkleistung verbundene Energie), sondern auch um die mit teils hohen Kosten verbundenen zusätzlichen Leistungen (Blindleistung und auch Regelleistung zur Stabilhaltung der Netzfrequenz in engen Toleranzen um 50 Hz). Hier sind Maßnahmen gefordert, die schnell zu- und abgeschaltet werden können.



Es gilt also

<P(t)> =U0·I0/T ∫  sin(ω·t + φ)·sin(ω·t)·dt , integriert über eine volle Periode der Länge T. Den Additionstheoremen der Trigonometrie entnimmst du sin(x)·sin(y) = 1/2 · [cos(x-y)- cos(x+y)]. Dann wird der Integrand sin(ω·t + φ)·sin(ω·t) =  1/2 · [cos(x-y) - cos(x+y)] = 1/2 · [cos(φ) - cos(2ω·t + φ)]. Der erste Anteil zum Integral liefert 1/2 · cos(φ) ·T, der zweite Anteil verschwindet. Es ergibt sich <P(t)> =U0·I0 ·1/2 · cos(φ) = Ueff · Ieff · cos(φ).

( Februar 2021 )