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Physik für Schülerinnen und Schüler

Wellen-Interferenz und Einteilchen-Interferenz

© H. Hübel Würzburg 2013

Empfohlene Glossarthemen:

Quantenteilchen

Wellenfunktion

Quantenobjekt

Glossar

Physik für Schülerinnen und Schüler

Impres-sum

1. Vorbemerkung zu Licht

Licht lässt sich als elektromagnetische Welle beschreiben. Sie transportiert Energie, auch durch den leeren Raum. Licht lässt sich aber auch als Strom von einzelnen Photonen beschreiben, die selbst Träger kleiner Energieportionen sind (manchmal liest man sogar: Energieportionen selbst). Bei monochromatischem (einfarbigem) Licht kann man den Zusammenhang zwischen der kleinen Energie eines Photons Eph und der Frequenz des Lichts f angeben: Eph = h·f, wobei die Konstante h das Plancksche Wirkungsquant h = 6,62·10-34 J·s ist. Die riesigen Energiemenge, die Licht transportieren kann, kommt durch die im Mittel sehr hohe Photonenzahl zustande. Beim Licht eines Lasers oder einer Radiowelle sind nach der Quantentheorie keine festen Photonenzahlen beteiligt (Glauber 1963). Vielmehr ist die Photonenzahl un-be-stimmt. Bei Messungen stellt man starke Schwankungen der Photonenzahl fest und für ihre Statistik eine Poissonverteilung. Zufällige Schwankungen nach dieser Statistik überleben auch dann, wenn man die Intensität der Laserstrahlung durch Graufilter sehr stark reduziert, so dass z.B. pro Sekunde oder pro Puls im Mittel nur ein Photon transportiert wird.

Seit ca. 1800 (Thomas Young) werden Interferenzversuche mit mehr oder weniger monochromatischem (einfarbigem) Licht durchgeführt. Es handelt sich um Wellen-Interferenz. Das Entstehen von Maxima und Minima wird erklärt durch die Überlagerung von zwei Teilwellen. Jede von ihnen geht durch einen der beiden Spalte. Sie löschen sich dann in den Minima aus und verstärken sich in den Maxima.

Erst seit den 20-er Jahren des letzten Jahrhunderts findet man ähnliche Erscheinungen auch bei Elektronen, Neutronen, Atomen und Molekülen.


2. Einteilchen-Interferenz

Der folgende Versuch soll sehr oft in immer wieder gleicher Weise durchgeführt werden: In jedem Versuch wird genau ein Teilchen durch den Doppelspalt geschickt.

a) Zunächst ein klassisches Teilchen, z.B. ein kleines Kugellagerkügelchen (der Doppelspalt muss dann natürlich genügend weit sein). Wir würden das Teilchen in der Regel direkt hinter einem der Spalte finden, vielleicht würde es gelegentlich einmal durch die Begrenzung des Spalts leicht in den Schattenbereich abgelenkt werden. Aber an der "Doppelmaximumfunktion" für die Häufigkeitsverteilung der Nachweisorte würde sich nichts ändern.

(Beide Bilder hergestellt mit dem Simulationsprogramm "Doppelspalt.exe" von Muthsam)


b) Jetzt soll der Versuch mit  einem Quantenteilchen durchgeführt werden.  Das gleiche Quantenteilchen (Atom, Elektron, Photon, ... ) wird immer auf gleiche Energie und auch sonst in den gleichen Zustand gebracht (präpariert) und dann gegen den Doppelspalt geschickt. Hinter dem Doppelspalt in einiger Entfernung ist ein Schirm aufgestellt, der mit Sensoren bedeckt ist. Das könnte z.B. eine Photoplatte sein. Es wird registriert, wo das Quantenteilchen jeweils nachgewiesen wird.

Anfangs lässt sich kein Muster und kein System erkennen. Das Quantenteilchen wird an ganz zufälligen Orten registriert, einmal hier, einmal da. Es lässt sich überhaupt nicht vorhersehen, wo das nächste Mal das Quantenteilchen einen Sensor zum Ansprechen bringt. Aber je öfter der Versuch wiederholt wird, desto mehr scheinen sich die Nachweisorte an bestimmten Stellen zu häufen, während an anderen Stellen die Sensoren selten oder nie ansprechen. Wird der Versuch sehr häufig wiederholt, entsteht allmählich ein Muster mit Streifen, an denen das Quantenteilchen sehr häufig nachgewiesen wird, und Streifen, in denen das Quantenteilchen selten oder nie nachgewiesen wird. So wie das bei einem Interferenzmuster der Fall ist.

Ergebnisse von Tonomura für Elektronen aus der Original-Veröffentlichung (Internet unter Tonomura, Hitachi).
Dazu gibt es auch ein Video!

Es ist gleichgültig, ob man immer das gleiche Quantenteilchen verwendet oder immer wieder ein anderes in den gleichen Zustand präpariertes. Identische Quantenteilchen lassen sich ohnehin nicht unterscheiden. Wichtig für den Versuch ist, dass sich jeweils nur ein gleichartiges Quantenteilchen in der Versuchsanordnung befindet.

Du kannst all diese Versuche in einer schönen Simulation selbst nachvollziehen, z.B. mit dem Programm  

Doppelspalt.exe von  Klaus Muthsam  ( http://www.muthsam.de/doppelspalt.htm oder

http://milq.tu-bs.de/index.php/hinweise/downloads/118-simulationsprogramme-download.html )

oder Laserlicht am Doppelspalt.exe von Wolfgang Kuntsch

Das letzte Programm ist in einem Paket von Simulationsprogrammen vom ISB Bayern enthalten.

Über ein Hörsaalexperiment mit Photonen wird hier berichtet. Einige der Formulierungen im Text dort würde ich allerdings nicht wörtlich nehmen.


3. Einteilchen-Interferenz ist keine Wellen-Interferenz (von Wellen im uns umgebenden Anschauungsraum)

3.1. Wir beobachten zwar so etwas wie Interferenzstreifen, aber es kann sich nicht um Wellen-Interferenz handeln. Würde man nämlich den Versuch z.B. mit Laserlicht durchführen, würde man bei einer Photoplatte immer eine kontinuierliche Verteilung der Schwärzung beobachten. Kontinuierlich bedeutet dabei, dass sich die Schwärzung auf einem Weg über den Schirm gleichmäßig, ohne plötzliche Sprünge verändert. Würde man das Laserlicht durch ein Graufilter schwächen, z.B. auf 1 %, wäre die Schwärzungsdichte überall kleiner, aber mit Maxima und Minima an den gleichen Stellen und genauso kontinuierlich verteilt. Die kontinuierliche, sich gleichmäßig mit dem Ort verändernde Verteilung ist typisch für einen Interferenz-Versuch mit Wellen, hier also Lichtwellen. Wenn wir das Laserlicht allerdings so schwächen würden, dass im Mittel nur ein Photon in der Apparatur ist, würden wir für dieses Photon einzelne zufällig verteilte Nachweisorte finden, wie das oben beschrieben wurde. Nur, das ist das Überraschende: am häufigsten würden wir dieses Photon an den Stellen der (Wellen-)Maxima finden, selten bis nie in der Nähe der (Wellen-)Minima.

3.2. Naja, könnte man einwenden, so stark durch Graufilter abgeschwächtes Licht hat ja noch einmal ein zusätzliches statistisches Element. Es ist nicht möglich, durch ein Filter immer genau ein Photon durchzulassen. Selbst, wenn wir im Mittel pro Laserpuls ein Photon zählen würden, hätten wir schon hier zufällig schwankende Werte: in einem Puls tatsächlich genau ein Photon, im nächsten gar keines, im nächsten 3 Photonen, dann wieder 0 Photonen, usw. (siehe Vorbemerkung oben). Kein Wunder, dass sich dieser statistische Charakter auch auf dem Schirm zeigt. Man könnte so vielleicht auf die Idee kommen, dass zufällig zwei Photonen gleichzeitig vorhanden sind, von denen eines durch Spalt A und das zweite durch Spalt B hindurchtritt. Man könnte auf die falsche Idee kommen, dass hier zwei Photonen miteinander "interferieren".

Es gibt aber Photonenquellen, die jeweils genau 1 Photon abgeben (Einphotonenquellen), und andere, die jeweils genau zwei Photonen unterschiedlicher Richtung abgeben. Den Vorgang kann man elektrisch auslösen. Im zweiten Fall könnte man mit dem einen Photon den Doppelspalt-Versuch durchführen und mit dem zweiten absichern, dass sich sein Partner in der Versuchsanordnung befindet, vielleicht indem es nur dann die Sensoren "scharf" schaltet. Nehmen wir an, die Photonenquelle arbeite bei der gleichen Wellenlänge wie unser Laser. Und siehe da, ein solches Photon würde irgendwo auf dem Schirm ganz zufällig nachgewiesen werden, am häufigsten aber in den Maxima der früheren Welle, selten oder nie in der Nähe der Minima der früheren Welle; so, wie das oben für andere einzelne Quantenteilchen beschrieben wurde.

Einteilchen-Interferenz kann nicht durch ein "Zusammenwirken" von zwei oder mehr Photonen entstehen.

3.3. Es ist offenbar am wahrscheinlichsten, dass ein solches Quantenteilchen an der Stelle eines Maximums nachgewiesen wird, am unwahrscheinlichsten in der Nähe eines Minimums. Für Einteilchen-Interferenz ist offenbar charakteristisch, dass das Quantenteilchen an zufälligen Stellen nachgewiesen wird, dass es aber eine Wahrscheinlichkeitsverteilung gibt mit Maxima an der Stelle der früheren Wellenmaxima und Nullstellen an der Stelle der früheren Wellenminima. Für jedes einzelne Quantenteilchen gilt diese Wahrscheinlichkeitsverteilung. So zufällig die jeweiligen Nachweisorte auch sind, es ist extrem unwahrscheinlich, dass dieses einzelne Quantenteilchen in der Nähe eines Wellenminimums nachgewiesen wird. Die Lage der Stellen größter und kleinster Wahrscheinlichkeit lässt sich wie die der Wellen-Maxima und -Minima bei klassischen Wellen berechnen.

Aufgabe: In der Zeichnung sind die Positionen der Wellen-Maxima und Wellen-Minima eingetragen. Wie stellst du dir in Abhängigkeit vom Ort x auf dem Schirm die Wahrscheinlichkeit vor, ein Quantenteilchen in einem festen Intervall der Breite Δx zu finden?

Wir bemerken von dieser Wahrscheinlichkeitsverteilung allerdings erst etwas, wenn wir den Versuch sehr oft wiederholen.

3.4. Wellen-Interferenz kommt dadurch zustande, dass eine Teilwelle durch Spalt A hindurchtritt, eine andere Teilwelle durch Spalt B. Die von A und B ausgehenden Teilwellen überlagern sich, "interferieren miteinander" und löschen sich an manchen Stellen gegenseitig aus (Minima) und verstärken sich an anderen Stellen (Maxima). Ist es vielleicht denkbar, dass Einteilchen-Interferenz durch "Interferenz eines Quantenteilchens mit sich selbst" stattfindet? Dann müsste ein Teil des Quantenteilchens durch Spalt A, ein anderer durch Spalt B laufen. Quantenteilchen lassen sich jedoch nicht aufteilen ohne Identitätsverlust. Ließe sich ein Atom aufteilen, wären die Bruchstücke keine Atome mehr. Insbesondere kann man ein Elektron - wie Millikan zeigte - überhaupt nicht aufteilen. Also eine "Interferenz eines Quantenteilchens mit sich selbst" kann es nicht geben. Wenn manche Autoren doch davon reden, meinen sie etwas ganz anderes: Sie wollen auf die Existenz der Einteilchen-Interferenz hinweisen. Du solltest eine solche Sprechweise vermeiden.

              Es gibt keine "Interferenz eines Quantenteilchens mit sich selbst".         


4. Wie kommt dann Einteilchen-Interferenz zustande?

4.1. Es fällt auf, dass Einteilchen-Interferenz immer dann auftritt, wenn ein Quantenteilchen zwei oder mehr klassisch denkbare Möglichkeiten hat, zwischen denen nicht entschieden wird. Beim Doppelspalt hat das Quantenteilchen grob gesprochen zwei klassisch denkbaren Möglichkeiten, nämlich durch Spalt A oder Spalt B zu treten. Wenn wir nicht "hinschauen", also nicht entscheiden, ob das Quantenteilchen durch A oder B hindurch tritt, dann entsteht Interferenz. Wir sprechen von "klassisch denkbaren Möglichkeiten", weil ja bei Quantenteilchen in solchen Situationen eben nicht für eine der Möglichkeiten entschieden wird. Bei Interferenz ist keine der klassisch denkbaren Möglichkeiten realisiert. Es wird offen gelassen, wie das Quantenteilchen durch den Doppelspalt gekommen ist.

Beim Einfachspalt gibt es viele klassisch denkbare Durchtrittsorte längs der einen Spaltbreite. Wenn wir zwischen ihnen nicht entscheiden, findet Interferenz statt und wir beobachten  von allen Quantenteilchen eine Verteilung für die Nachweisorte auf dem Schirm mit Maxima und Minima, auch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung ... . Sie unterscheidet sich allerdings deutlich von der eines Doppelspalts. Es gibt viele weitere Situationen, bei denen zwischen klassisch denkbaren Möglichkeiten nicht entschieden wird, bei denen also Interferenz eintritt. Solche Anordnungen heißen vielfach Interferometer.

      Bei identischen Quantenteilchen findet Interferenz statt, wenn zwischen klassisch denkbaren Möglichkeiten für die Quantenteilchen nicht entschieden wird.  

4.2. Man könnte aber doch durch eine Messung feststellen, durch welchen Spalt das Quantenteilchen tritt?

Ja natürlich. Häufig wird ein Prinzipversuch diskutiert, bei dem Atome am Doppelspalt z.B. mit Licht beleuchtet werden. Licht wird an den Atomen gestreut (das Himmelsblau entsteht so z.B.), und es bildet sich ein Streuscheibchen um das Atom, das evtl. viel größer als das Atom selbst ist, so groß, dass man es registrieren könnte. Sein Durchmesser wächst mit zunehmender Wellenlänge des Lichts. Beleuchtet man mit niederenergetischem Licht (z.B. mit rotem Licht großer Wellenlänge), dann ist auch das Streuscheibchen groß und verschleiert so weitgehend den Durchtrittsort. Dessen Messung wird genauer mit höherenergetischem Licht (z.B. mit blauem Licht kurzer Wellenlänge). Also kann man den Durchtrittsort schon sehr genau messen. Aber: Je genauer der Durchtrittsort bekannt ist, desto "verwaschener" wird die Interferenzfigur. Das kannst du auch recht gut in der Simulation, z.B. von Muthsam sehen.

Erfahrungsgemäß gilt das ganz allgemein und bei jedem beliebigen Messverfahren für den Durchtrittsort. Man sagt:


Man kann nie beides zugleich haben: einen genau bekannten Durchtrittsort und eine Interferenzfigur. Je genauer der Durchtrittsort bekannt ist, desto undeutlicher wird die Interferenzfigur.

Oder vornehmer und allgemeiner:

                           Welcher-Weg-Information für das Quantenteilchen und Interferenz(fähigkeit) schließen sich gegenseitig aus, sind komplementär zueinander.                

Welcher-Weg-Information würde hier existieren, wenn es bekannt wäre, welchen Weg das Quantenteilchen durch den Doppelspalt genommen hat. Umgekehrt, wenn man Interferenz beobachten möchte, kann man auf keine Weise den Durchtrittsort herausfinden. Dieser ist un-be-stimmt. Die Physik hält sich nur zuständig für Dinge, die durch eine Messung überprüfbar sind. Es ist in dieser Situation also physikalisch sinnlos, von einem Durchtrittsort zu sprechen. Das widerspricht unseren Erfahrungen aus der klassischen Physik!

Außerdem bemerkt man: Mit einem genauen Messverfahren für den Durchtrittsort kann man nie einen Durchtritt von einem Quantenteilchen durch beide Spalte gleichzeitig feststellen. Wie erwartet, kann sich dabei das Quantenteilchen nicht aufteilen. Und wieder: Das Quantenteilchen kann nicht "mit sich selbst interferieren".

4.3. Man kann sich auch ohne Messung überlegen, dass der Durchtritt durch genau einen der beiden Spalte bei Interferenz nicht denkbar ist. Nehmen wir an, das Quantenteilchen trete allein durch A hindurch. Dann könnte man B auch verschließen, weil B ja unbeteiligt scheint; das Quantenteilchen durch A kann nicht erst nachschauen, ob B offen ist. Würde man B aber verschließen, wäre sofort die Interferenzfigur verschwunden, wie das Experiment zeigt.

Das ist eine merkwürdige Situation:

Das eine Quantenteilchen, das durch den Doppelspalt getreten ist, kann bei Interferenz weder

Nach der üblichen Logik kann es nur eine der beiden Möglichkeiten geben. Es ist offenbar physikalisch sinnlos, bei Interferenz von einem Durchtrittsort zu reden, weil sich sonst der Widerspruch nicht auflösen lässt. Man sagt, das Quantenteilchen hat bei Interferenz einen Durchtrittsort nicht als Eigenschaft, der Durchtrittsort ist un-be-stimmt. Das ist ganz anders als bei klassischen Teilchen. Deswegen sprechen wir hier von Quantenteilchen.

4.4. Niemand kann also wissen, wie Einteilchen-Interferenz zustande kommt. Diese hat vielmehr etwas zu tun mit grundsätzlichen Eigenschaften von Quantenobjekten (siehe unten) wie etwa Quantenteilchen. Aber wir können wie oben Bedingungen angeben, wann Einteilchen-Interferenz stattfindet, nämlich, wenn zwischen klassisch denkbaren Möglichkeiten nicht entschieden wird, und können damit viele Experimente deuten. Und mathematisch lässt sich auch Einteilchen-Interferenz vollständig und exakt erfasssen. Ein solches Verständnis der Quantenphysik war grundlegend für die Entdeckung neuer physikalischer Phänomene, die unser Leben heute in hohem Maße bestimmen.


5. Rolle von Wellen bei der Einteilchen-Interferenz? - Schrödingers Wellenfunktionen

5.1. Vor ca. 90 Jahren, als Einteilchen-Interferenz entdeckt wurde, gab es den Begriff Einteilchen-Interferenz noch nicht. Man konnte sich Interferenz nur als Wellen-Interferenz vorstellen und suchte also nach Wellen im Zusammenhang mit dieser neuen Art der Interferenz. Das war ein durchaus fruchtbares Programm. Der französische Physiker deBroglie hatte die Hypothese aufgestellt (1923), Schrödinger (1926) hatte eine mathematische Theorie  mit der Schrödinger-Gleichung für solche vermuteten Wellen bei Elektronen oder Atome formuliert, die sogar weitere Phänomene im atomaren Bereich erklären konnte. 1927 folgte eine experimentelle Bestätigung von deBroglies Zusammenhang zwischen Wellenlänge λ und Impuls p durch die Amerikaner Davisson und Germer; h ist wieder das Planck'sche Wirkungsquant: λ = h/p. Aber erst seit den 30-er Jahre waren die Zusammenhänge einigermaßen verstanden im Sinne, wie hier in einem kleinen Ausschnitt dargestellt, wobei Borns "Wahrscheinlichkeitsdeutung" von 1926 einen entscheidenden Anstoß gegeben hatte. Es setzte sich die Ansicht durch, dass Schrödingers "Wellen" keine realistischen Wellen im uns umgebenden Anschauungsraum sind. Sie werden spätestens seitdem "Wellenfunktionen" genannt um ihren mathematischen Charakter zu betonen. Schrödinger fand auch, dass es außer Quantenteilchen weitere Quantenobjekte gibt, die aus mehr als einem Quantenteilchen bestehen. Sein Begriff "verschränkte Zustände" ist noch heute für einen Typ von Zweiteilchen-Zuständen in Gebrauch. Bei zwei Teilchen heißen diese Quantenobjekte z.B. Teilchenzwillinge. Diese agieren in einem 6-dimensionalen Raum, den sich niemand vorstellen kann, wieder Indiz dafür, dass es sich um mathematische Gebilde handelt.

Die Schrödinger-Gleichung ist ein extrem wichtiges Instrument zur Berechnung von Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten von Messwerten und von möglichen Messwerten in einer großen Zahl von Anwendungen. Es gibt aber auch andere Verfahren dazu, die vor allem auf Heisenberg (Nobelpreis 1932) und Feynman (Nobelpreis 1965) zurückgehen und ohne Wellenfunktionen auskommen.

5.2. Borns (Nobelpreis 1954) Wahrscheinlichkeitsdeutung in heutiger Sprache besagt (für den eindimensionalen Fall und ein Quantenteilchen):

Wellenfunktionen ψ(x,t) beschreiben keine realistischen Wellen, die sich im uns umgebenden Raum ausbreiten. Es handelt sich um mathematische Funktionen, deren Betragsquadrat für einen bestimmten Zustand ein Maß für die Wahrscheinlichkeit ist, ein Quantenteilchen in einem Intervall der Breite Δx um einen Punkt mit der Koordinate x nachzuweisen.

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5.3. In diesem Sinn gibt es einen Zusammenhang zwischen Wellen-Interferenz und Einteilchen-Interferenz: Obwohl es sich bei den Wellenfunktionen um rein mathematische Gebilde handelt, können wir uns für sie eine Interferenz wie bei klassischen Wellen vorstellen. Sie überlagern sich hinter dem Doppelspalt und bilden dabei Maxima und Minima. Ihr Betragsquadrat |ψ(x,t)|2 lässt sich physikalisch deuten: Es ist proportional zur Wahrscheinlichkeit p(x), gemäß der Einteilchen-Interferenz ein Quantenteilchen in einem Intervall der Breite Δx um einen Punkt mit der Koordinate x nachzuweisen: p(x) = |ψ(x,t)|2 · Δx. Auch Wahrscheinlichkeiten und Mittelwerte für das Eintreten anderer Messwerte kann man mit den mathematischen Wellenfunktionen ψ berechnen. Die Wahrscheinlichkeit p(x), ein Teilchen genau an der Stelle x zu finden ( Δx = 0), ist 0 .

5.4. Lichtwellen bzw. Photonen wie bei einem Laser oder bei Radiowellen hat man quantenphysikalisch recht gut verstanden (Glauber 1963, Nobelpreis 2005). Lichtwellen sind im Gegensatz zu den Wellenfunktionen realistische Wellen, die sich im Anschauungsraum ausbreiten. Glauber entdeckte, dass sie auf so genannten kohärenten Zuständen beruhen. Bei diesen Zuständen ist die Photonenzahl un-be-stimmt. Das hat aber, wie Glauber zeigte, zur Folge, dass die Einteilchen-Interferenz sozusagen "durchschlägt" auf den Erwartungswert (Mittelwert) der elektrischen oder magnetischen Feldstärke. Obwohl  wegen der un-be-stimmten Photonenzahl für das elektrische und das magnetische Feld starke statistische Schwankungen auftreten, verhält sich der Erwartungswert in solchen Zuständen ganz regulär wie eine klassische elektromagnetische Welle.

5.5. Einige Gründe, weshalb Wellenfunktionen mathematische Gebilde sein müssen:

So weiß man also seit den 30-er Jahren des letzten Jahrhunderts, dass die in der Quantenphysik auftretenden "Wellen" nichts mit der "Ausbreitung" von Quantenteilchen zu tun haben, sondern dass sie allein mathematische Gebilde sind, mit denen man Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten von Messwerten bei konkreten Messungen vorhersagen kann.


6. Wie unterscheiden sich Quantenteilchen von klassischen Teilchen?

Bei klassischen Teilchen haben alle klassisch denkbaren Eigenschaften auch ohne eine Messung einen bestimmten Wert, den man allerdings vielleicht nicht oder nur ungenau kennt. In einem solchen Fall nennt man den unbekannten Wert einer Eigenschaft ungewiss. Nach einer Messung wird er gewiss. Vielfach liefern auch theoretische Berechnungen, ausgehend von gewissen Anfangswerten, gewisse Endwerte. Dagegen haben bei Quantenteilchen klassisch denkbare Eigenschaften einen bestimmten Wert erst nach einer Messung. Andernfalls hat diese Eigenschaft keinen physikalischen Sinn, ist un-be-stimmt. Z.B. ist ohne eine Messung der Durchtrittsort eines Elektrons oder Photons durch den Doppelspalt un-be-stimmt. Es hat dann keinen physikalischen Sinn, einen solchen Durchtrittsort zu vermuten. Durch eine Messung kann er aber einen be-stimmten Wert erhalten. Noch mehr unterscheidet sich ein Quantenteilchen von einem klassischen Teilchen dadurch, dass komplementäre Größen, wie etwa Ort und Geschwindigkeit, bei einem Quantenteilchen nicht gleichzeitig durch Messungen be-stimmt gemacht werden können. Wird z.B. der Ort durch eine Messung be-stimmt gemacht, verliert eine evtl. vorher gemessene (also be-stimmte) Geschwindigkeit ihre Gültigkeit und ist dann un-be-stimmt. Man kann nie beides zugleich haben, ...

Aber auch ein Quantenteilchen ist wie ein klassisches Teilchen Träger einiger unveränderlicher Eigenschaften, allerdings nur weniger.

Das Elektron als Quantenteilchen ist Träger der elektrischen Elementarladung -e, einer bestimmten kleinen Masse m, eines "halbzahligen Spins" usw. Das Photon als Quantenteilchen ist Träger der elektrischen Ladung 0, seine Ruhemasse ist immer 0, es hat einen so genannten "ganzzahligen Spin".

Nach einiger Gewöhnung wird es dir sicher gelingen Quantenteilchen in diesem Sinn in deinen Erfahrungsbereich aufzunehmen. Du wirst dann in der Lage sein, viele zunächst erstaunliche neue Experimente mit Quantenteilchen zu "verstehen".


Hinweise:

1. Der Oberbegriff zu allen Objekten der Quantenphysik ist "Quantenobjekte". Besteht das Quantenobjekt aus genau einem Teilchen, heißt es auch "Quantenteilchen". Ein aus zwei Quantenteilchen bestehendes Quantenobjekt heißt "Teilchenzwilling", oder konkreter bei Photonen "Photonenzwilling", "Diphoton" oder "Biphoton". Ein Teilchenzwilling ist ein "verschränkter Zustand". Er besteht nicht aus zwei individuellen Quantenteilchen. Diese bekommen erst durch eine Messung be-stimmte, individuelle Eigenschaften. Es gibt sogar Quantenobjekte, die aus einer un-be-stimmten Zahl von Teilchen bestehen. An einen solchen Gedanken muss man sich erst gewöhnen. Dazu gehört eine Laserschwingung mit einer un-be-stimmten Zahl von Photonen.

2. In der Quantenphysik sind verschiedenartige Modelle in Gebrauch, z.B. Arbeitsmodelle und didaktische Modelle. Diese mögen in ihrem Anwendungsbereich berechtigt und nützlich sein, geben aber nicht unbedingt wissenschaftliche Erkenntnisse der Quantenphysik wieder. So ist z.B. immer wieder von einem "Wellencharakter" von Quantenteilchen die Rede. Wenn mit diesem Begriff eine Ausbreitung von Wellen im uns umgebenden Anschauungsraum verbunden wird, entfernt man sich von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Es sollte ja klar sein, dass es sich bei den Wellen der Schrödinger'schen Wellenfunktionen nur um mathematische Wellen in abstrakten, häufig hochdimensionalen Konfigurationsräumen handelt. Wenn man mit dem Schlagwort "Wellencharakter" nur den Unterschied zu klassischen Teilchen charakterisieren möchte, und dabei im Hinterkopf hat, dass es sich nur um Wellen in solchen abstrakten Räumen handelt, gibt es keinen physikalischen Einwand.

Wegen der Gefahr von Missverständnissen würde ich solche Sprechweisen aber für die Schule ablehnen. Fakt ist jedenfalls: Wellenfunktionen beschreiben nicht die Ausbreitung von "etwas" im uns umgebenden Raum. Sie sind nur zuständig für die Berechnung von Wahrscheinlichkeiten zukünftiger Messergebnisse.

4. Für verschränkte Systeme, wie z.B. Teilchenzwillinge, gilt der "Dreiklang verschränkter Systeme": Verschränkte Systeme entstehen häufig aus nicht verschränkten einzelnen Quantenteilchen, bestehen selbst nicht aus (individuellen) Quantenteilchen, zerfallen aber bei einer Messung wieder in einzelne Quantenteilchen.

Es können auch verschiedene "Unterzustände" eines einzigen Quantenteilchens miteinander verschränkt sein, z.B. Schwerpunkts- und Relativsystem eines H-Atoms.

5. Verschränkte Systeme genügen einer "Geburtsurkunde" (häufig auf Erhaltungssätzen beruhend), die über den "Tod" des Systems (einer Messung von Einteilchen-Eigenschaften) hinaus gültig ist. Sie legt Eigenschaften des Gesamt-Zustands fest.

6. Den treffenden Begriff "klassisch denkbare Möglichkeiten" habe ich das erste Mal bei Küblbeck und Müller gelesen.

( 7. ψ(x,t) stellen Wellen in einem abstrakten Konfigurationsraum dar (Heisenberg), nicht im uns umgebenden Anschauungsraum. Das siehst du z.B. daran: Man könnte die Wellenfunktion auch in eine gleichwertige Wellenfunktion ψ(p,t) transformieren (was immer das heißt). Das wäre dann eine Welle in einem "Impulsraum", den du dir jetzt nicht vorzustellen brauchst. Seine Koordinaten sind Impulse p. Richtig einsehen kann man das erst für einen Zweiteilchen-Zustand. Dann braucht man eine Wellenfunktion ψ(x1,x2,t) . Sie stellt ganz entsprechend eine Welle in einem 6-dimensionalen, wiederum abstrakten Konfigurationsraum dar, den sich niemand vorstellen kann und es auch nicht möchte, aber mit dem man mathematisch gut umgehen kann. Für ein Teilchen ist das Betragsquadrat |ψ(x,t)|2 bzw. |ψ(p,t)|2 dann zunächst rein mathematisch so etwas wie eine Intensität in einem solchen abstrakten Raum. Aber - jetzt kommt Borns Wahrscheinlichkeitsdeutung ins Spiel - das Betragsquadrat |ψ(x,t)|2 ist zugleich proportional zur Wahrscheinlichkeit, bei einer tatsächlichen Messung ein Teilchen an der Stelle x des Anschauungsraumes nachzuweisen (eigentlich müsste es heißen: "in der Nähe der Stelle x"). So ist dieses x festgelegt: Es ist nicht die Koordinate eines Teilchens, sondern die Koordinate des Punktes, an dem eine Messung vorgenommen werden soll. Das Betragsquadrat |ψ(x1,x2,t)|2 ist entsprechend proportional zur Wahrscheinlichkeit, das eine Teilchen an der Stelle x1 und das andere an der Stelle x2 nachzuweisen. )




So könnten zwei akzeptable Hypothesen für die Aufgabe oben aussehen. Der genaue Verlauf ergibt sich aus theoretischen Berechnungen, z.B. mit Wellenfunktionen. Er ist hier uninteressant.