G32d
Kann man die Polarisation messen? |
Sowohl für Photonen wie für Elektronen gibt es Geräte zur "Messung" der Polarisation bzw. des Spins: Polarisatoren bzw. Stern-Gerlach-Apparaturen ("Spin-Messer"). Aber kann man damit wirklich die Polarisation eines einzelnen Quantenteilchens bestimmen?
Versuch 1: Ein Photon tritt durch einen Polarisator AN hindurch und wird registriert. Man kann davon ausgehen, dass es jetzt die der Orientierung des Polarisators entsprechende Polarisation besitzt. Dass das stimmt, wird mit dem Durchtritt durch einen weiteren gleich orientierten Polarisator T ("Tester") bewiesen. Also: Nach Durchtritt durch einen Polarisator AN hat das Photon die AN entsprechende Polarisation.
Polarisationsmessungen von Photonen
nach Versuch 1 |
Aber hatte es diese Polarisation schon vor dem Eintritt in den Polarisator AN?
Versuch 2: Bevor das Photon in AN eintritt, wird es durch einen dazu schräg gestellten Polarisator PO geschickt. Es hat dann bis zum Eintritt in AN die Polarisation von PO. Kommt es dann durch AN, der ja gegenüber PO gedreht ist? Der Versuch zeigt: Es kommt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit hindurch, obwohl es die "falsche" Polarisation hatte. In anderen Fällen wird es blockiert.
Polarisationsmessungen von Photonen
nach Versuch 2 |
Also: Von einem Photon, das durch AN hindurch tritt, das dann sicher die AN entsprechende Polarisation hat, können wir nicht sagen, welche Polarisation es vorher hatte!
Kann man dann gar keine Information über die Vorgeschichte des Photons erlangen?
Nein: Wenn man sehr viele Photonen durch AN schickt, und wenn sie (im Idealfall) mit 100%-iger Wahrscheinlichkeit*) durch AN hindurch treten, muss man schließen, dass sie alle schon vor dem Durchtritt die AN entsprechende Polarisation hatten.
Das ist typisch für Messungen an Quantenobjekten:
(1) Auf jede mit einer Messung an ein Quantenobjekt gerichtete Frage antwortet die Natur (im Idealfall) mit einer eindeutigen Antwort. Nach der Messung hat das Quantenobjekt dann die betreffende Eigenschaft.
(2) In vielen Fällen wird der Zustand des untersuchten Quantenobjekts durch die Messung verändert. Das meint man, wenn man sagt, dass durch die Messung oder durch den Beobachter ein Eingriff in die Natur erfolgt.
Das ist leicht einsehbar**): Wenn vor der Messung die betreffende Eigenschaft des Quantenobjekts un-bestimmt ist, wird sie durch die Messung be-stimmt. Das betrifft den Ort oder den Spin eines Elektrons genauso wie die Polarisation eines Photons, die vor der Messung bzgl. AN un-bestimmt ist - weil das Photon etwa zuvor durch einen gedrehten Polarisator PO gelaufen ist - und nach Durchtritt durch AN bzgl. AN be-stimmt (und damit jetzt bzgl. PO un-bestimmt) ist.
Photonen, die PO verlassen, haben be-stimmte Polarisation bzgl. PO, aber un-bestimmte bzgl. AN. Solche Photonen, die durch T hindurch treten, haben be-stimmte Polarisation bzgl. AN, aber un-bestimmte bzgl. T, erkennbar daran, dass nur einige aus AN durch T hindurch treten |
Messung des Elektronenspins Obere Zeile: Der 2. Spin-Messer bestätigt, dass die durchtretenden Elektronen nach Verlassen des 1. Spin-Messers be-stimmten Spin bzgl. der z-Richtung hat. Untere Zeile: Elektronen, die den 3. Spin-Messer verlassen, haben un-bestimmten Spin bzgl. der z-Richtung. Jedoch hatten durchtretende Elektronen nach dem 1. Spin-Messer be-stimmten Spin bzgl. der z-Richtung, aber un-bestimmten bzgl. der y-Richtung. |
Die Eigenschaften "be-stimmt bzgl. PO" und "be-stimmt bzgl. AN" sind komplementär, schließen sich also gegenseitig aus.
*) Wenn nicht alle passieren, weiß man,
dass einige Photonen die "falsche" Polarisation hatten.
**) Man braucht dazu nicht auf halbklassische Modelle wie das "Heisenberg-Mikroskop" zurückgreifen. Mit diesem Modell wird manchmal die Komplementarität von Ort und Impuls/Geschwindigkeit eines Elektrons (bzw. die Heisenberg'sche Un-bestimmtheits-Relation) durch mechanische Stöße bei der Beleuchtung mit Photonen plausibel gemacht.